Aufsteiger verzweifelt gesucht

■ Im Eishockey will nur Dynamo in die Erste Liga, die Konkurrenz traut sich nicht.

Hohenschönhausen. »Davon geht die Welt nicht unter«, strapaziert Eishockey-Trainer Hartmut Nickel alte Schlagerweisheiten. Soeben hatte sein EHC Dynamo Berlin in heimischer Halle 1:4 gegen Nürnberg verloren. Obwohl Guido Hiller, die Kathi Witt von Hohenschönhausen, den EHC schnell in Führung schoß, fanden die »Eisbären« nie zu ihrem Spiel. Zweimal patzten sie — wie schon so oft in der laufenden Saison — beim erfolgversprechenden Überzahlspiel und mußten sogar Gegentreffer erdulden. Trainer Nickel und die über 3.000 fanatischen Zuschauer vertrösteten sich derweil auf den 9. Februar.

Dann nämlich beginnt die Aufstiegsrunde der besten acht Zweitligisten zur Bundesliga. Aber welcher Club, bitteschön, möchte da hin? Die Präsidenten und ihre Puckjäger, auf dem Eis keiner Rauferei abgeneigt, gebärden sich urplötzlich wie behäbige Klosterbrüder. Augsburg und Kassel, die Klassenbesten, halten sich mächtig zurück. Kein Wunder: Die bayerischen Schwaben haben bereits einen Konkurs hinter sich. Kassel hingegen steckt kollektiv in der Midlife-crisis. Wer von den Herren Altstars hoch in den Dreißigern möchte nochmals erstklassigen Ehrgeiz entwickeln, wo man doch eine Etage tiefer so herrlich mit purer Routine glänzen kann? Also weiter! Hannover vielleicht, die Berliner Filiale mit einigen ausrangierten Preußen und Dynamos?

Während der ebenso altehrwürdige wie bankrottanfällige SC Riessersee automatisch aus dem Aufstiegsrennen ausscheidet, steht beim SV Bayreuth heuer bloß die finanzielle wie sportliche Konsolidierung an. In der vergangenen Saison, da wollten die Franken mit aller Macht nach oben, was jedoch kläglich in die Hose ging. Nachbar Nürnberg ist deshalb gewarnt. Eine klapprige Eishalle sowie begrenzte Werbeeinnahmen lassen die Norisstädter vor der Ersten Liga zurückschrecken.

Bleiben nurmehr der EC Ratingen oder die Berliner Dynamos als willige Aufsteiger. Der favorisierte »Wolgaexpreß« aus dem Rheinland, eine hoffnungsvolle Melange aus zwölf Rußlanddeutschen, zwei echten Russen vom Topclub Dynamo Moskau sowie mehreren Flitzern des Deutschen Meisters Düsseldorfer EG, gedeiht offensichtlich nur schwerlich. Glaubt man all den Gerüchten, drängt sich der Eindruck auf, der schwerreiche Ratinger Vereinspräsident müsse mehr besoffene Spieler aus ihren noblen Unfallautos herausschweißen, als dem Trainer Akteure zur Verfügung stehen. Unter Spielrausch verstehen wir etwas anderes.

Zum Beispiel den »Hohenschönhausener Kreisel« unseres Dynamos. Leider präsentierten die Eisbären ihren Kombinationswirbel nur zu selten. »Wir glauben an den Aufstieg«, versichert dennoch EHC-Trainer Nickel selbst nach Heimniederlagen wie gegen Augsburg oder Nürnberg. Die Zeit nach dem 9. Februar wird es beweisen müssen. Bis dahin gilt: Den Glauben seh' ich wohl, allein mir fehlen die Zeichen. Jürgen Schulz