Auferstanden aus den Viren

Schon beim Hopman-Cup bot Steffi Graf ein Bild des Jammers: Die Vorhand so schlaff wie die Unterlippe, der Blick so trostlos wie ihr Tennisspiel. Damals noch glaubte die Welt an eine gemeine fiebrige Erkältung. Doch als sie kurz darauf die Australian Open absagte und fluchtartig Melbourne verließ, machte sich Grauen breit: Wird Steffi leben?

Sie war praktisch schon tot: „Schlimme Wahrheit: Steffi zerstört“, titelte die 'BZ‘ und orakelte düster: „Steffis Zusammenbruch, das schlagartige Ende eines Menschen?“ Die 'Bild‘ berichtete mit gewohnter Detailkenntnis von geschwollenen Gelenken, Pusteln am ganzen Körper, Drüsenfieber und dem Notflug nach Deutschland und wehklagte: „Das Ende: Steffi Graf, mit 22 eine einsame Frau — wer hilft in der Stunde der Not?“ Doch schon naht Rettung: Hochspringer Dietmar Mögenburg erbarmt sich in 'Bild‘ und spendet seine gesammelte Lebensweisheit: „Steffi braucht einen Freund.“ Völliger Quatsch, poltert Tenniscoach Günther Bresnik: „Steffi gehört nicht ins Bett, sondern auf die Couch.“ Physiotherapeut Capellmann plädiert dagegen vehement für Stroh: Er analysiert eine eklatante Ähnlichkeit zwischen Steffi und australischen Rennpferden. Die seien auch „hochsensibel und schnell krank“. Glaubt man der 'Super‘-Zeitung, so galoppiert Steffi ohnehin in den Tod. Der „unheimliche Beulenvirus“ versetzt den Berichterstatter in Endzeitstimmung: „Die Angst bleibt“, gesteht er und vertraut uns seinen grauenhaften Verdacht an: „Seit dem Tod von Michael Westphal zittert die Tennisszene vor dem tödlichen Virus.“ Doch da erleichtert uns Steffis Leibarzt Professor Keul: „Wahrscheinlich ist es der Eppstein-Bar- oder der Cochsacki- Virus.“ Aufatmen. Aber will er uns nur beruhigen? Sportarzt Helmut Papst nämlich behauptet: „Sie spielt mit ihrem Leben.“ Schon gibt Keul klein bei. „Bei Belastung besteht die Gefahr einer Herz-Muskel-Entzündung.“ Also doch. Die ersten Organspender melden sich bei den Grafs — Arnold Schwarzenegger gibt seine Leber, Michael Stich opfert seinen Tennisarm. Plötzlich die Entwarnung: Steffi hat Röteln, verkündete Keul am Freitag abend. Gewöhnliche, profane Röteln? Die versammelte Weltpresse ist enttäuscht. Auch die Zugabe „... gekoppelt mit einem grippalen Infekt“, löst keine Begeisterung aus. Zu gewöhnlich. Doch schon beschleichen uns Zweifel. So viele Unsicherheiten in der Diagnose wegen ordinärer Röteln? Nein, Herr Keul, niemals. Sie wollen uns täuschen. Für uns bleibt es dabei: Steffi ist schwer krank. Und einsam. Und unglücklich. Und depressiv. Und will nicht mehr. Und liebt Pappi. Und... und... und. miß