PRESS-SCHLAG
: Kein Ton in Sambia

■ Ein Nachmittag beim Afrika-Cup in Ziguinchor

Wahrscheinlich wird der Mann gleich kollabieren. „Das ist eine Katastrophe, das kann nicht wahr sein, diese Techniker sind doch unfähig...“ Es folgt eine Pause zum Atmen, und weiter geht's: „Hören Sie, ich habe gerade meine Frau angerufen. Sambia hat ein Bild, aber“ — und jetzt kommt es — „Sambia hat keinen Ton!“ Der sambische Fernsehreporter leidet im beschaulichen, einem Oberligaplatz nicht unähnlichen Stadion von Ziguinchor, wo die Vorrundenspiele der Gruppen C und D der Afrika-Meisterschaft stattfanden, zwanzig Minuten lang. Eine Marter für einen Vollblutkommentatoren, der doch mit der Afrika-Cup- Begegnung zwischen Sambia und Ghana einem Schicksalsspiel für sein Land beiwohnt.

Unser Fernsehmann hat deshalb keinen Sinn für den zauberhaften Nebel, der sich in der Abenddämmerung über das Gelände legt, sieht nicht, wie um das Stadion herum die Palmen und Sümpfe langsam hinter diesigen Schwaden verschwimmen. Vielleicht nimmt er gerade noch wahr, daß auf der Tribüne Ghanaer ihre Elf anfeuern. Wahrscheinlich sind es Ghanaer. Genau kann man das nicht wissen. Denn die südsenegalesische Kleinstadt Ziguinchor legt Wert darauf, gastfreundlich zu sein, weshalb für jede Mannschaft hier 200 Senegalesen als Fans verpflichtet worden sind.

Und Sambia? Dem Himmel sei Dank, ab 18.50 Uhr hat Sambia Ton. „Hello Zambia!“ Der Countdown läuft. „60 minutes to the close of the match.“ Vielleicht fängt, wer mit Verspätung beginnt, gleich damit an, von hinten zu rechnen. Darüber hinaus erfährt Sambia von seinem jetzt restlos glücklichen und alle Kollegen übertönenden TV- Kommentatoren, daß Sambias Spieler „a great match“ zeigen, die Ghanaer förmlich auseinandernehmen, kurz gesagt, daß der Gruppensieg nah ist.

Wie sehen es die Kollegen? Unser Mann zitiert, unablässig weiter ins Mikro brüllend und längst schweißüberströmt, in der Pause fünf afrikanische Kollegen zu sich: „Hier ist Mark aus Südafrika bei mir, ihr kennt ihn noch von der Ostafrika-Meisterschaft. Mark, wie ist das Spiel? Was muß Sambia tun?“ Mark findet das Spiel o.k., bei Sambia hapere es mit dem Abschluß, alles sei offen.

Mit einem emphatischen „Thank you, Mark!“ wird der Kollege verabschiedet, und es geht weiter: „44 minutes to the close of the match...“ 17 Minuten später schießt Ghana das erste Tor des Spiels. Die sambische Mannschaft ist erschöpft, unser Mann verzweifelt. Schlechte Abwehr, schlapper Aufbau, mieser Freistoß — Kommentar: „Oh, he does a bad job. This can bring disaster to Zambia.“

Dann ist es vorbei. Jemand zeigt unserem Mann den aufgestellten Daumen. Er gibt die Geste grinsend zurück: Er hat seinen Job ohne Zweifel gut gemacht. Und Sambia hat zwar verloren, nichts war es mit dem Gruppensieg, aber der 1:0-Auftaktsieg gegen Ägypten reichte zum Einzug ins Viertelfinale. Heute geht es in Dakar gegen das Überraschungsteam von der Elfenbeinküste. Die Chancen stehen nicht schlecht. Hauptsache aber, Sambia hat Ton. Katrin Weber-Klüver (Dakar)

Die letzten Vorrundenspiele in Ziguinchor:

Gruppe C: Algerien - Kongo 1:1; Gruppe D: Ägypten - Ghana 0:1

Viertelfinale in Dakar: Nigeria - Zaire, Kamerun - Senegal, Elfenbeinküste - Sambia, Ghana - Kongo