Mit Frust an der Macht

■ Grünes Entsetzen über katastrophale Haushaltslage

Als die Diskussion so etwa eine Stunde gedauert hatte, bekam eine grüne Bürgerschaftsabgeordnete nostalgische Gefühle: „Ich will zurück in die Opposition“, raunte sie in den Raum. Ein einzelner Zwischenruf, eine nicht ganz ernstgemeinter zudem, aber einer, der die Stimmung gestern nachmittag in der Grünen-Fraktionssitzung ziemlich zutreffend beschrieb: Auch einen guten Monat, nachdem die Ampel das Regieren begonnen hat, fehlt die Lust an der Macht.

Was Wunder: Denn auf der Tagesordnung stand eine Informationsrunde zur im Senat anstehenden Haushaltsberatung. Und da hatten fast alle SprecherInnen aus den verschiedenen Politikbereichen nur Schreckliches zu vermelden. Die ABM-Kürzungen schlagen bei den Projekten ins Kontor — die von den Grünen in den Ampelverhandlungen ausgehandelten Projektmittel kommen irgendwann mal, wenn sich der Senat über die Neuverteilung der Toto-und Lottomittel einig geworden ist.

Von den LehrerInnen kriegt der Grüne Bildungsdeputierte Wolfram Sailer „auf die Fresse gehauen“. Und das, obwohl er mit ihnen einer Meinung ist, daß die extremen Kürzungen bei den Lehrerstellen unverantwortlich sind. Und Martin Thomas mag seine Post schon gar nicht mehr öffnen, weil es in der Regel doch wieder Protestbriefe von KindergärtnerInnen und Kita-Eltern gegen Gebührenerhöhung bei gleichzeitiger Leistungseinschränkung sind. 20, sagt Thomas, hat er in den letzten Tagen bekommen. Sprecher-Kollege Dieter Mützelburg kontert: „Ich habe schon 80.“

Mitarbeiterin Arnhild Moning spricht da für fast alle: „Ich kann da ganz schlecht mit leben, immer zu sagen: ‘Tut mir leid'.“ Zumal, wenn die Verantwortung nach Ansicht von Karolne Linnert vor allem beim Finanzsenator liegt: „Die dürfen den Mist machen und bei mir laufen die Telefone heiß.“

Und wo bleibt das Positive bei all dem Ärger? Wo die neuen politischen Akzente? Mützelburgs Hinweis, daß es jetzt durch das Gemeindefinanzierungsgesetz mehr Geld für den Verkehrsbereich gibt, tröstet wenig. „Wir haben in die Koalitionsvereinbarungen Dinge 'reingeschrieben, von denen wir geahnt haben, daß es nicht funktioniert“, fürchtet Marieluise Beck.

Was Senator Ralf Fücks so nicht stehen lassen möchte: „Wir sind da sehenden Auges 'reingegangen“, erinnert er seine Parlamentsbasis. Wegen der Finanzen zu sagen: ‘Ohne uns–, daß sei „die kläglichste Begründung überhaupt.“ Und damit die ParlamentarierInnen sich keine Illusionen darüber machen, welche Torturen da noch auf sie zukommen werden, macht Fücks kein Hehl daraus, in welchen Spar- Zeiträumen er denkt: „Wir müssen eine Durststrecke von 3,4,5 Jahren überwinden.“ hbk