In erster Linie Handwerker

■ Fotografien von Pieter Laurens Mol in der Galerie »Franck und Schulte«: »Malereien« mit Fotos — Vereinzelte, isolierte Blicke

Als Mystiker zu gelten ist nicht für jeden Künstler eine reine Freude. Pieter Laurens Mol wurde »Mystiker« genannt, obwohl sich der Niederländer, der zu den bekanntesten Künstlern seiner Heimat zählt, selbst in erster Linie als Handwerker versteht. Das schließt das Denken nicht aus. Im Gegenteil. Es ist ja gerade ein entscheidendes Merkmal des Handwerks, daß jeder Griff durchdacht sein muß und daß Material, Funktion und Gestaltung ursächlich miteinander in Verbindung gebracht werden. Banaler ausgedrückt: daß man weiß, was zu tun ist, um die gewünschte Wirkung zu erzielen.

Handwerk ist Kopfarbeit. Damit schließt sich der Kreis um Mols Kunst, von der ein Ausschnitt derzeit in der Galerie »Franck und Schulte« gezeigt wird. Pieter Laurens Mol ist ein Künstler, der mit den verschiedensten Materialien und Medien arbeitet. Er richtet szenische Installation ein, die anschließend abfotografiert werden, baut Objekte aus Stahl, Glas und Daunenfedern oder veranstaltet Happenings. Bei Franck und Schulte sind hauptsächlich Fotoarbeiten zu sehen.

Mol hat ein Programm: Es hängt in der Ausstellung zwischen zwei Durchgängen an einer Wand und besteht aus einem großformatigen Farbfoto. Im Halbdunkel der Dämmerung steht eine verschwommen aufgenommene Person und scheint eine Malerpalette frontal in die Kamera zu werfen. Die Palette — der einzige scharf abgelichtete Teil im Bild — ist unbenutzt und wird es auch bleiben: Mol »malt« mit Fotos. Er nimmt einen Gegenstand oder eine Landschaft aus mehreren Blickwinkeln auf und ordnet die unterschiedlich großen Abzüge in ihrer Hängung nach einem bestimmten, gestalterischen Schema. Dabei geht er, obwohl realistische Motive verwendet werden, nicht erzählend, sondern nach ästhetischen Gesichtspunkten vor. Die Fotografien ergeben durch die Ordnung ihrer Hängung ein neues, eigenes Bild, das als abstrakte Komposition gelesen werden kann. Formen und Flächen verteilen sich spannungsgeladen, aber gleichgewichtig auf dem Untergrund.

Dadurch bricht Mol den Realitätscharakter der eigentlich eindeutig wiedererkennbaren Motive. Sie dienen nicht als dokumentarische Beweise, sondern als Gestaltungsmittel. Dennoch scheinen die Abbildungen auf einer zweiten Ebene Geschichten zu erzählen. Deren Inhalte sind allerdings unklar. Die Fotos stehen für den vereinzelten, isolierten Blick, der zwischen den Phänomenen hin und her springt, ohne sie festzuhalten oder verstehen zu können. Mol bedient sich einer filmischen Erzählweise, die jedoch nicht linear verläuft. In der Arbeit Streit zwischen Karneval und Fasten sieht man eine Landschaft mit Stadt im Hintergrund, die so idyllisch und unverbaut daliegt, als sei sie gerade einem holländischen Gemälde des 17. Jahrhunderts entsprungen. Das Bild dieser Landschaft ist in verschiedene Ansichten aufgesplittert und erinnert an die Spurensuche in einem Kriminalfall. Auf einem der Fotos steht Mol, trägt einen spitzen Zauberhut und schaut herausfordernd dem Betrachter entgegen. Der Sinn dieser Inszenierung liegt im dunklen. Aber die einzelnen Fotos jener leeren, verlassenen Landschaft, die aus einer anderen Zeit zu stammen scheint, offenbaren sich als Schauplatz eines mysteriösen Geschehens.

Eine weitere Möglichkeit der endgültigen Anerkennung der Fotografie als Kunst. Ulrich Clewing

Galerie Franck und Schulte, Mommsenstr. 56, Charlottenburg, mo.-fr. 10-18 Uhr, sa. 10-15 Uhr