Überheblichkeit

■ betr.: "Apokalypse Amerika?", taz vom 13.1.92

betr.: „Apokalypse Amerika?“ (Oder: die neue Selbstgefälligkeit) von Rolf Paasch, taz vom 13.1.92

Nur ganz kurz ein spontanes Lob für Paasch, den über die USA zu lesen immer ein Gewinn ist, der aber hier über die deutsche (und sicher nicht nur deutsche) Überheblichkeit mit erfreulicher Deutlichkeit Notwendiges ausgesprochen hat. Die ständige und berechtigte Kritik an der Innen- und Außenpolitik von Regierungen —an der Herrschaft generell— verstellt immer den Blick auf die reiche Komplexität der jeweiligen Gesellschaften und Kulturen. Überheblichkeit — in diesem Falle der vielbeschworene „Antiamerikanismus“ — ist immer auch ein Ausdruck der erleichternden Vereinfachungen des Urteils über andere, gegen die zwar niemand gefeit ist, gegen die wir uns aber gar nicht oft genug kritisch und selbstkritisch zur Wehr setzen können. Ekkehart Krippendorff, Berlin

In kaum noch zu überbietender Oberflächlichkeit schreibt Paasch über „wandernde Völker“, als ob deren „globale Migration“ von Land zu Land eine nicht weiter zu hinterfragende Selbstverständlichkeit sei und nicht Ausdruck unbeschreiblichen Elends, wie es als jüngstes Beispiel die vom Regime Saddam Husseins mit Duldung der Golfkriegs-Alliierten zu einem derartigen „wandernden Volk“ gemachten irakischen Kurden zeigen. Außerdem können an der Darstellung der MigrantInnen als Lohndrücker und der Verknüpfung des Begriffs „ethische Vielfalt“ mit wirtschaftlichem Abstieg und sozialer Polarisierung nur Rechtsradikale ihre Freude haben und sich in ihren Wahnvorstellungen über die „Ausländer“ als Schuldige an den zunehmenden sozialen Problemen bestätigt fühlen.

Und das Szenario eines 21. Jahrhunderts, in dem die Staaten der westlichen Welt trotz schwerer sozialer Probleme wie Massenarbeitslosigkeit, Wohnungsmangel und begrenzter Entfaltungsmöglichkeiten zum nicht etwa heißbegehrten, sondern den Menschen des ehemaligen Ostblocks und der Dritten Welt durch repressive Regime und/oder den endgültigen Zusammenbruch ihrer Ökonomie aufgezwungenen Migrationsziel werden, ist in der Tat die Story, wie Paasch schreibt. Es ist allerdings die Horrorstory von politisch Verfolgten und Armutsflüchtlingen, welche im Kampf um das bloße Überleben durch eine Welt irren, in der die in den westlichen Ländern selbstverständlichen Grundrechte und Konsummöglichkeiten zu einem für die meisten Menschen unerreichbaren Luxus geworden sind. Frank Bartling, Berlin