Auftragsbücher der Industrie schrumpfen

■ Die Bundesbank sieht dennoch keine Rezessionsanzeichen/ Niedrige Lohnabschlüsse angemahnt

Frankfurt (ap/dpa/taz) — Während der Verteilungskonflikt in der diesjährigen Tarifrunde immer höhere Wogen schlägt, steht die bundesdeutsche Industrie weiter vor einer abwärts gerichteten Konjunkturkurve. Auch im letzten Quartal 1991 mußten die Unternehmen einen Auftragsschwund hinnehmen. Die Bestellungen blieben um durchschnittlich 1,5 Prozent hinter den Werten des dritten Quartals zurück, vermeldete die Deutsche Bundesbank in ihrem neuesten Monatsbericht. Verglichen mit dem hohen Stand des Boomjahres 1990, lagen die westdeutschen Auftragseingänge im Ausland wie Inland weit zurück.

Maßgeblich für den Auftragsrückgang war ein Einbruch der Auslandsbestellungen, die um rund vier Prozent hinter den Stand des Sommerquartals zurückfielen. Ungünstig wirkte sich aber auch die sinkende Nachfrage in Ostdeutschland aus. Dort lagen die Bestellungen nicht nur unter dem Stand des Vorquartals; das Niveau von 1990 wurde weiterhin um mehr als ein Zehntel unterschritten.

Die Auslandsgeschäfte im Osten liefen zwar etwas besser, ermittelten die Bundesbanker, sie könnten jedoch nicht als Wende angesehen werden, da sie auf absatzfördernde Hilfestellungen wie Hermes-Ausfuhrbürgschaften beruhten. Insgesamt traf die Flaute die Hersteller von Investitionsgütern besonders stark, ließ aber auch das Verbrauchsgütergewerbe nicht ungeschoren.

Trotz der Krisensignale geben sich die obersten Währungshüter vor der nächsten Sitzung des Zentralbankrats am Donnerstag weiter optimistisch: Eine anhaltende Konjunkturschwäche sei nicht in Sicht, ziehen die Volkswirte der Bundesbank Bilanz — vorausgesetzt, die eröffnete Tarifrunde 1992 und die Weltkonjunktur bringe keine neuen Risiken mit sich. Den Lohnstückkosten- Schock vor Augen, halten sie die jüngsten Lohnforderungen der Gewerkschaften aber für überzogen. Sollte es trotz aller Warnungen zu hohen Lohnabschlüssen kommen, drohen die Währungshüter mit dem Geldhahn: Die Geldpolitik dürfe „realwirtschaftlich nicht gerechtfertigte Einkommensansprüche nicht monetär alimentieren“, so die Bundesbankexperten, da dies die Inflation weiter anheizen würde.

Die Notenbanker wiesen zugleich alle Vorwürfe zurück, sie hätten mit ihrer Erhöhung der Leitzinsen selbst zum Konjunktureinbruch beigetragen. In einem für die Bundesbank ungewöhnlichen Maße verteidigten sie ihre jüngsten Zinsbeschlüsse als eine für langfristige Investitionsentscheidungen durchaus beflügelnde Maßnahme: Im November habe die Kreditvergabe an Unternehmen und Privatpersonen um 11,5 Prozent über dem Vorjahresstand gelegen, seither habe sie noch stärker zugenommen, zuletzt sogar mit zweistelligen Zuwachsraten. es