Fragenkatalog der CDU an Stolpe

■ Vorerst kein Mißtrauensantrag gegen Stolpe/ Diestel hofft jetzt auf Rehabilitierung de Maizières/ Stolpe warnt vor allzu „hitzigen Stasi-Debatten“/ Auch Superintendent Krusche räumt Stasi-Kontakte ein

Potsdam/Berlin (dpa/taz) — Die brandenburgische CDU-Landtagsfraktion sieht zur Zeit keinen Anlaß für einen Mißtrauensantrag gegen Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD). Jedoch fordern die oppositionellen Christdemokraten detaillierte Auskünfte über Stolpes Kontakte zur DDR-Staatssicherheit. Der brandenburgische CDU-Generalsekretär Thomas Klein verlangte gestern in Potsdam Aufschluß darüber, warum Stolpe erst jetzt den vollen Umfang seiner Treffen mit Stasi-Mitarbeitern offenlege und warum er bisher verschwiegen habe, daß auch Treffen in konspirativen Wohnungen stattfanden. Ferner müsse der Ministerpräsident darlegen, in wessen Auftrag diese Treffen erfolgten, wer davon gewußt und wem er darüber berichtet habe.

CDU-Fraktionschef Peter-Michael Diestel wies die Rückrittsforderung der CSU an Stolpe zurück. Für ihn sei Stolpe so integer, daß er auch Bundespräsident werden könnte. Der „Fall Stolpe“ könne durchaus ein Präzedenzfall für den differenzierten Umgang mit der Stasi-Vergangenheit werden. Dann präzisierte Diestel seine Vorstellungen: Von einer gerechten Behandlung Stolpes könne letztlich auch eine Rehabilitierung des letzten DDR-Ministerpräsidenten Lothar de Maizières, des früheren Generalsekretärs der Ost-CDU, Martin Kirchner, und anderer Stasi-belasteter Politiker ausgehen. Ob die Chance einer Rehabilitierung prominenter CDU-Politiker der Grund dafür ist, warum Diestel das am Vortag angekündigte Mißtrauensvotum gegen Stolpe nicht länger für angemessen hält, blieb offen.

Unterdessen verteidigte Stolpe seine Kontakte zum Staatssicherheitsdienst als „behutsame Gegenkonspiration“. In einem eher grundsätzlich gehaltenen Beitrag zur Bewältigung der DDR-Vergangenheit in der Boulevardzeitung 'Super‘ warnte Stolpe gleichzeitig, über hitzige Stasi-Debatten die täglichen Probleme der Ostdeutschen zu vergessen. Durch die Jagd nach dem „Stasi-Phantom“ würden die Menschen in Ostdeutschland „von den Tagesfragen, Arbeit, Wohnen und soziale Sicherheit, abgelenkt“.

Neben der Auseinandersetzung „mit den Schuldigen, die Menschen gequält, benachteiligt und geschädigt haben“, sollten jetzt auch „die Zusammenhänge Partei-Staat-Stasi, das undurchschaubar-unheimliche Netzwerk der Macht enttarnt und offengelegt werden“.

Brandenburgs Bildungsministerin Marianne Birthler (Bündnis 90) hält einen Rücktritt Stolpes für ausgeschlossen. Die Äußerungen Stolpes über seine Kontakte zu staatlichen Stellen der ehemaligen DDR seien für sie „nichts Neues“ gewesen. Jetzt müsse in der Koalition gemeinsam überlegt werden, wie auf „unsachgemäße und offensichtlich parteipolitisch diktierte Angriffe der Opposition“ reagiert werden könne.

Nach ihrer Ansicht stand Stolpe als Konsistorialpräsident der Berlin- brandenburgischen Kirche „auf Seiten derer, die Räume schaffen wollten für Menschenrechts- und Friedensgruppen“, betonte Frau Birthler. Stolpe habe durch sein Verhandlungsgeschick für oppositionelle Gruppen in der ehemaligen DDR „sehr viel möglich gemacht“.

Der Generalsuperintendent der Evangelischen Kirche in Berlin- Brandenburg, Günter Krusche, warnte im Fall Stolpe vor Vereinfachungen und Vorverurteilungen durch westdeutsche Politiker. Aufgrund der komplizierten Lage in der ehemaligen DDR hätten Vertreter der evangelischen Kirche „manchmal auch unkonventionelle Methoden“ anwenden müssen. Krusche erklärte, auch er habe Kontakt zur Stasi gehabt: „In den stürmischen Zeiten, im Frühjahr 1988 und im Herbst 1989 vor der Wende, etwa vierzehntäglich.“ Meist sei die Stasi zu ihm gekommen, manchmal sei jedoch auch er aktiv geworden, um junge Leute vor der Anwerbung der Stasi zu schützen. In der Rückschau habe sich die evangelische Kirche dem SED-Staat bisweilen zu kompromißbereit gezeigt, meinte Krusche. Zwar könne von Kumpanei keine Rede sein, aber „wir haben nach der Devise ,Wir müssen kooperieren im Interesse der Menschen‘ sicher mehr zugegeben, als wir hätten zugeben müssen“. eis