Es gibt keine schmutzigen Farben

■ Claus Hammer, seit 10 Jahren nicht mehr drogenabhängig, über Kultur, Therapie und Menschenbilder

Um Mißverständnissen gleich vorzubeugen: Seine Bilder haben mit den langweiligen, bloß gutgemeinten Ergebnissen von sinnvoller Beschäftigung, zum Beispiel mit den acrylgewordenen Schwestern und Brüdern von Makramee und Fimo, nichts zu tun. Das ist gut vorwegzuschicken, denn der Maler Claus Hammer, heute 34, war bis vor 10 Jahren drogenabhängig.

Wie soll aus Menschen noch etwas werden, wenn sie doch nur als wandelnde Todessehnsucht, als abstoßende Ansammlung von Abszessen, als immer wieder Rückfällige, also Willensschwache und Verlorene angesehen und behandelt werden? Im Hessischen Melchersgrund wendete sich für Claus Hammer das Blatt — und sein Leben gleich mit. Da saß er am Tisch, frisch in einer Behandlung mit kunsttherapeutischem Ansatz gelandet, und und malte mit dem Finger in einem zufälligen Kaffefleck auf weißem Papier. „Hättest du Lust, Kunst zu machen?“ fragte wie im richtigen Märchen der Leiter der Einrichtung mit geübtem Blick, und Claus Hammer hatte Lust.

Das Umwerfende dieser Monate: „Ich wurde zum ersten Mal nicht auf mein Verhalten angesprochen. Wir haben über Wagner und Ibsen geredet, gemalt, Theater gespielt. Auch Leute, die nie so etwas gelesen hatten.“

Claus Hammer vor seinem „Wald des Pythagoras“ Foto: Tristan Vankann

Plötzlich klappte alles. Kunsttherapie-Studium in Ottersberg geschafft. Grafik-Studium, früher wegen der Drogen geschmissen, jetzt abgeschlossen.

10 cleane Jahre sind lang. Aber im Gespräch mit Claus Hammer ist die Erinnnerung an die elende Zeit ganz frisch. Und auch die Wut. „Das Verhalten von Drogenabhängigen ist unerwünscht, deshalb verlieren sie völlig den Zugang zum kulturellen Leben.

Mann vor Strichen

Auch die Szene entwickelt keine eigene Kultur mehr. Junkies gelten als häßlich und schmutzig, als unästhetisch. Hinter den Zusammenbrüchen und Abszessen sieht man den Menschen nicht mehr.“

Wenn Claus Hammer jetzt zusammen mit seinem Freund und Studienkollegen Oliver Voigt- Wendelstein eine Gruppe aufbaut, in der Junkies, Ex-Junkies und Substituierte künstlerisch arbeiten können, soll daraus kein

Stillmachen, eben keine Beschäftigungstherapie werden: „Von der Drogenarbeit ist kaum noch das sozialtechnische Gerippe übrig. Aber man muß richtige Kulturarbeit machen, nicht nur beschwichtigen!“

Hammer weiß noch genau, wie Aids-Kranke, die kaum aus dem Bett kamen, in Melchersgrund für das Theaterspielen zu vollständigen, starken Menschen wurden, Energien mobilisierten, die längst verloren schienen. „Wir redeten nicht über Drogen und Rückfälle, sondern über die Arbeit, über Bilder, Szenen, Stücke. Wenn einer rumgesumpft hatte, war auch die Arbeit schlecht. Und darum ging es.“

Es geht ihm, so pathetisch das vielleicht klingt, aus den Erfahrungen am eigenen Leib um Menschenwürde. Schwierig in Zeiten, wo es nur noch darum geht, ob jemand eine Bleibe hat, und nicht, was für eine. Aber, fragt Hammer, hatte nicht der große Klee gesagt, es gibt keine schmutzigen Farben? In jedem Dreck sogar sei Farbe zu entdecken, schön zu finden?

Im Atelierhof Alexanderstraße sind noch bis zum 29.Januar Bilder von Claus Hammer und Skulpturen von Oliver Voigt- Wendelstein zu sehen. Außer dem verwirrend präsenten „Wald des Pythagoras“ drei Ölbilder auf quadratischen Leinwänden, 184x184 cm, Hammers Körpergröße. Gelb, sagt Hammer, das war die Normandie. Blau macht fast von allein einen Raum. Rot war am schwierigsten, es sollte nicht lieblich und nicht brutal werden. Und dann sagt er noch den einfachen Satz: „Mir hat, glaub ich, die Kunst das Leben gerettet.“

Susanne Paas

Ausstellung bis 29.1. im Atelierhof, Alexanderstraße 9