Allzu flotte Schere

■ betr.: "Was andere Dichter dichten", taz vom 10.1.92, "Freitagabend: Berlin-Mitte", "In eigener Sache", taz vom 14.1.92

betr.: »Was andere Dichter dichten« (Im Schweinsgalopp durch das Donnerstags-Feuilleton der 'Berliner Zeitung‘), taz vom 10.1.92, »Freitagabend: Berlin-Mitte« (Die Langweiler-Talkshow vom SFB hat neue langweilige Moderatoren), beide Beiträge von Klaus Nothnagel, »In eigener Sache« (Kein Platz für billiges Nachtreten und Verachtung),

taz vom 14.1.92

Immer wieder, wenn sich »In eigener Sache« ankündigt, wird es ganz eigen: Schelte für unbotmäßige KollegInnen, Entschuldigungen in großer Geste an die Adresse vermeintlicher Opfer. Wie so oft bei Euch, sitzt der Böse wieder mal in der Kulturredaktion. Diesmal soll's der Nothnagel gewesen sein. Davon abgesehen, daß mir persönlich Nothnagels ironisch-böse Verrisse in den letzten Wochen ausnehmend gut gefallen haben, überrascht mich der heftige Ton Eurer Kritik. In Nothnagels Breitseite gegen Georgia Tornow entdeckt ihr eine »zynische Pose«, die »Menschen verächtlich« macht. Ich habe noch mal nachgelesen und lediglich den Ton entdeckt, der durchaus — und glücklicherweise — üblich ist, in Eurer Zeitung genauso wie andernorts, wenn es um die kritische Auseinandersetzung mit der »öffentlichen« Arbeit »öffentlicher« Personen geht. Warum sollte es im Fall der Talkshow-Moderatorin Tornow anders sein?

Auch im Fall Rathenow kann ich die Verfehlung Nothnagels nicht erkennen, schon gar nichts, wofür sich die taz »schämen« muß. Eine Kritik an der Arbeit des Lyrikers Rathenow, ob nun streng germanistisch oder flott ironisch, muß doch möglich sein. Damit ist, so habe ich Nothnagel verstanden, weder der Bürgerrechtler noch das Stasi-Opfer Rathenow gemeint. Rathenows unbestreitbare Meriten einerseits und seine Erfahrungen der schrecklichen Verfolgung andererseits können dennoch keinen Freibrief abgeben, um damit seine lyrischen Texte als sakrosankt zu erklären.

Was mich wirklich irritiert und zunehmend verärgert, sowohl als taz-Leser, aber auch als taz-Autor, ist Eure eilige Bereitschaft, mißliebige SchreiberInnen und/oder RedakteurInnen sofort und öffentlich zu maßregeln, und das auch nicht mehr namentlich gekennzeichnet, sondern gleich redaktionsweise. Als Leser frage ich, ob es nicht — wenn's wirklich mal schlimm kommen sollte — zunächst intern geklärt werden kann? Und als Autor bleibt mir die Frage, wie oft ich es noch riskieren möchte, mich Eurer allzu flotten Schere auszusetzen. Elmar Kraushaar