Der dritte Absturz des Wundervogels

Berlin (ap/afp/dpa/taz) — Ein französisches Verkehrsflugzeug vom Typ Airbus A320 mit 96 Menschen an Bord ist am Montag abend in den Vogesen abgestürzt. Neun Menschen überlebten das Unglück, darunter auch ein erst 20 Monate altes Kleinkind. Dies ist bereits der dritte Absturz eines A320, dem neuen Wundervogel der europäischen Luftfahrt.

Die Maschine der französischen Gesellschaft Air Inter war vermißt worden, nachdem sie den Landeanflug auf dem Flughafen Straßburg bereits begonnen hatte. Die nach dem Abbruch des Funk- und Radarkontakts eingeleitete Suchaktion im unzugänglichen Berggebiet wurde von Nebel, Regen- und Schneefällen behindert. Die Überlebenden mußten bei eisiger Kälte von minus fünf Grad stundenlang auf Hilfe warten. Am Fundort war „die Maschine in tausend Stücke zerborsten, überall lagen Leichenteile herum“, beschrieb ein Helfer die Situation.

Die Maschine war aus Lyon gekommen, wo sie am Montag technisch überprüft worden war. Der 42jährige Pilot sei ein erfahrener Kapitän mit mehr als neuntausend Flugstunden gewesen, hieß es. Die Absturzursache ist ungeklärt. Auffällig ist allerdings, daß die Maschine vor dem Absturz mehrere Sekunden lang Baumwipfel gestreift hat. Das Flugzeug ist offenbar viel zu niedrig geflogen, als es am 763 Meter hohen Odilienberg zerschellte. Den Berg hätte es um 300 Meter überfliegen müssen.

Der Pilot hatte keinen SOS-Ruf mehr gegeben. Auch die Passagiere waren nicht vorgewarnt worden.

Einer der neun Überlebenden schilderte die Katastrophe im Rundfunksender France Info: „Es war ein ganz normaler Landeanflug. Wir hatten schon unsere Gurte angelegt, es gab überhaupt nichts Besonderes. Dann hörte man plötzlich dieses Kratzen. Hier hat das Flugzeug die Bäume gestreift, die Maschine wackelte kreuz und quer, etwa zehn Sekunden lang, dann gab es einen heftigen Stoß, und wir wurden hin und her geworfen. Es ging alles sehr schnell, und es gab keinerlei Warnung.“

Nach dem Aufschlag habe das Flugzeug nur „leicht gebrannt“, berichtete der Augenzeuge weiter. Er habe dann gemerkt, daß er unverletzt sei, habe einen Jungen neben sich gegriffen und sich den Weg durch ein Loch im Rumpf gebahnt. Aus dem Wrack der Maschine habe er Schreie und Stöhnen gehört. Er habe versucht, dorthin zu gelangen, und habe noch einer Mutter mit ihrem Baby aus den Trümmern geholfen. Aus Angst vor einer Explosion habe man sich dann gemeinsam von der Maschine entfernt und auf die Rettungsmannschaften gewartet.

Ein anderer Überlebender erlebte die lange Wartezeit auf die Helfer als besonders schlimm: „Es kann doch nicht sein, daß man einen Flugzeugabsturz überlebt und anschließend erfriert.“ Außerdem könne er nicht verstehen, daß ein technisch so hochentwickeltes Flugzeug überhaupt abstürzen kann.

Der Airbus A320 ist der Supervogel der europäischen Luftfahrt, das erste vollelektronisch ausgerüstete Linienflugzeug der Welt. Im April 1988 wurde er erstmals im kommerziellen Flugverkehr eingesetzt. Von der Herstellerfirma wurde das Flugzeug als „Revolution der Luftfahrt“ verkauft. Es repräsentiert den letzten Stand der Technik mit dem modernsten Navigationssystem und wird als erstes Flugzeug nicht mehr mechanisch, sondern elektronisch gesteuert. Die Piloten könnten bei dieser Maschine angeblich keine Fehler mehr machen, weil sie der Computer korrigiert. Der 'Stern‘ schrieb nach dem Jungfernflug enthusiastisch: „Für einen Flug von Frankfurt nach Bremen könnte sich die Arbeit des Piloten darauf beschränken, die Flugnummer in den Computer zu geben, den Vogel auf die Startbahn zu lenken und alles andere samt Landung den Rechnern zu überlassen.“ Der Pilot könne unterdessen mit der Stewardeß schmusen.

Ein halbes Jahr später stürzte der erste A320 bei einem Demonstrationsflug bei Mulhouse im Elsaß in den Habsheimer Wald und ging in Flammen auf: Drei Menschen starben. Im Februar 1990 stürzte der zweite Airbus beim Landeanflug im südindischen Bangalore ab: 90 Tote. -man-