Tour d'Europe

■ Ausgrenzen statt Verfolgen

Daß man „etwas gegen die Organisierte Kriminalität“ tun müsse, ist mittlerweile unumstritten, und daß auch vielen bisher hinhaltenden Politikern die Muffe geht, wenn sie ans grenzenlose Europa mit seinen Chancen für Gangster denken, ebenfalls. Daß all das auch etwas mit Wirtschaft zu tun hat, zeigt die Tatsache, daß zum Beispiel in Italien gut ein Viertel der Umsätze aus kriminellen Geschäften in legale Zweige einfließt — viele Milliarden jährlich. Nur: was dieses „Etwas“ ist, was man tun muß, bleibt unklar.

Lange Zeit behaupteten die Gesetzesmacher aller Länder, schuld an der Verzögerung seien im Grunde ehrenwerte Motive wie das Festhalten an Grundrechten, am Prinzip der Unschuldsvermutung, oder daß renitente Linke Angst vor Oppositionellen- Hatz schürten.

Der Hauptgrund für den Wankelmut liegt jedoch anderswo: Den Politikern fällt keine Definition von Organisierter Kriminalität ein, die nicht auch Teile ihrer eigenen Klientel miteinbezieht — die Wirtschaftskriminellen mit den dicken Geldbörsen und den angeblich vielen Arbeitsplätzen ebenso wie Parteisponsoren mit Schwarzgeld, und die Empfänger und Wäscher von derlei Gaben dazu. Italiens Schatzminister Carli hat zudem recht, wenn er vom Kollaps des nationalen Geldsystems spricht, sofern es zu effizienten Maßnahmen gegen Geldwäsche käme.

Die einfachste und jedem eingängige Definition für Organisierte Kriminalität wäre „auf Dauer angelegtes Zusammenwirken mehrerer Personen zum Erzielen von Gewinnen mittels illegaler Praktiken“. Doch da fiele Geldwäsche über Politinstitute genauso darunter wie korrupt erworbene öffentliche Aufträge oder zwischen Managern, Beamten und Zöllnern gekungelter illegaler Transfer von AKW-Abfall und das Schmuggeln von Blaupausen vor zugedrückten Politikeraugen. So greifen alle Länder zu einer Nothilfe — statt Organisierte Kriminalität generell zu definieren, greift man zu sogenannten Tatkatalogen: Danach ist im Sinne Organisierter Kriminalität nur anklagbar, wer beim arbeitsteiligen Zusammenwirken genau benannte Strafgesetzartikel verletzt, etwa die über Hehlerei, Erpressung, Mord etc. Da ist dann sowohl der AKW-Manager ausgegrenzt wie der korrupte Zöllner oder Politiker, Geldwäsche ist nur strafbar, wenn die Moneten von Diebstahl, Menschenhandel etc. kommen.

In England und in Frankreich zum Beispiel ist Geld-Recycling nur im Zusammenhang mit dem Drogenhandel ein Begriff, in der Bundesrepublik weist der Entwurf des „Gesetzes zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität“ fast nur solche Paragraphen aus, die man schon bisher mit dem Artikel über Bildung krimineller Vereinigungen oder das Betäubungsmittelgesetz verfolgen kann. Die Schweiz hat als erstes europäisches Land ein eigenes Gesetz gegen Geldwäsche eingeführt — dabei allerdings den vorbanklichen Sektor wie Finanzgesellschaften und Wechselstuben außen vor gelassen, worüber nunmehr krimineller Profit gewaschen wird. Italien wiederum hat ein hervorragendes Antimafiagesetz — nur, hier steht mittlerweile die Justiz so unter Politiker-Kuratel, daß es kaum letztinstanzliche Verurteilungen von Wirtschaftsverbrechern gibt. Werner Raith