: Stark schraffierter Genre-Witz
■ TV-Krimi „Mit tödlicher Sicherheit“, Montag, 19.20 Uhr, ZDF
Vietnamveteranen sind immer gut für ein paramilitärisches Chaos. Ein Millionenpublikum hat schließlich gesehen, was diese Rambos anrichten. So bleibt auch das Berlin der „nahen Zukunft“ nicht von Psychopathen wie dem Sprengstoff-Spezialisten und Ex-GI Steven Wilson verschont. Andy Bausch, einer der besseren TV-Regisseure, hat vor dem Hintergrund dieser gewagten Story- Vorgabe mit sichtlichem Vergnügen eine deutsche Hauptstadt gezeichnet, in die amerikanische Zustände eingezogen sind. In der Ecke des Verhörraumes tummeln sich bildschirmgroße Kakerlaken, im Treppenhaus des Polizeireviers läuft nebenher ein Pistolenschütze Amok, und der schwabbelige Claude Rudolph als joggender Chaos-Polizist Fiebig gibt im Hinterhof eine kabarettreife Karatevorstellung. So wollen wir das sehen. Genau die Mischung aus Kottan ermittelt und Miami Vice. Nur die Präsenz von Gudrun Landgrebe erinnerte noch daran, daß wir uns in einem deutschen Fernsehfilm zur Hauptsendezeit befinden.
Daß die Story um Anschlag, Araber und Abschirmdienst bisweilen etwas durchhing, konnte man verschmerzen. Dafür gab es köstliche Szenen: beispielweise als der fiese Fiebig seinen Vorgesetzten durch die Maschen eines Aufzuggitters zu pressen versucht. Hark Bohm entwickelt in solchen Situationen die verbogenen Gesichtszüge einer angekohlten Leiche. Ansonsten beschränkten sich seine starken Auftritte darauf, daß er regelmäßig seinen Kaffee verschüttete.
Überraschende Momente entwickelte der Film immer dann, wenn er die ausgetretenen Pfade der 19.30-Uhr-Moral verließ. Nicht jeden Tag sieht man zur Hauptsendezeit einen bestechlichen Gesetzeshüter, der einen pinkelnden Zeugen von hinten erschießt, um ihm dann eiskalt eine Kugel in den Schädel zu jagen. Doch nicht nur die brachialen Szenen zeugten von stilsicherem Genre- Witz. So bemerkte man besonders in den Details (Handgranaten-Feuerzeug und Schuh-Telefon), daß da jemand mit Lust und Laune einen Film gedreht hat. Ein völlig unmotivierter Blick auf die in der Großaufnahme überdimensionale Zeilen-Schraffur eines im Hintergrund stehenden Fernsehapparates rückte bierernste Standard-Dialoge über verlorene Söhne in ein anderes Licht.
Diese irritierenden Momente stimmten versöhnlich, auch wenn es zwischendurch immer wieder hölzern wurde: eine angenehm unausgegorene Mischung zwischen kreativem Formwillen und der Vorgabe einer mittelmäßigen Geschichte, die man zu dieser Sendezeit wohl erzählen muß. Leider war Otto Sanders rauchige Whiskeystimme mit wenigen Diskursen über hochprozentige irische Alkoholika etwas unterbeschäftigt. Manfred Riepe
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