KOMMENTAR
: Mensch oder Maschine?

■ Das Zusammenspiel zwischen Maschine und Mensch muß klappen. Der hochcomputerisierte Airbus A 320 suggeriert die Verzichtbarkeit des letzteren

Es war der dritte Airbus A 320, der in den Vogesen vom Himmel fiel. Und es war die lauthals verkündete „technisch überlegene Antwort Europas auf die amerikanische Herausforderung“, die am Odilienberg zerschellte. Der A 320 ist wie kein anderes Flugzeug hochgelobt worden, er sollte die neue Generation von Flugzeugen einleiten: kleiner, leichter, sicherer, vollgestopft mit Elektronik. Vor allem wegen seines um 40 Prozent geringeren Treibstoff-Verbrauchs wurde er zum Verkaufsschlager. Doch von Anfang an stand der absturzsichere Wundervogel unter einem schlechten Stern. Schon der Jungfernflug mit Frankreichs Premier Chirac wurde von Pannen begleitet: Der Bordcomputer soll den Piloten damals falsche Angaben geliefert haben, außerdem wurde ein Spannungsabfall festgestellt.

Bei einem Demonstrationsflug in Habsheim im Elsaß stürzte kurz darauf das erste Airbus-Baby in den Wald und ging in Flammen auf. Pilotenfehler, hieß die einfache Antwort. Viele fragten sich, wie denn ein Pilot Fehler machen könne, wo doch die Technik ihn so zuverlässig korrigieren soll. Als 18 Monate später in Südindien der zweite Airbus in tausend Stücke flog, wurden „kulturelle Schranken“ entdeckt. Die Inder seien offenbar von der westlichen Computertechnik überfordert. Was wird man jetzt über die beiden toten französischen Piloten sagen?

Es geht um das Verhältnis von Mensch und Maschine. Das ist kompliziert und sensibel. Vielleicht ist der A 320 eigentlich ein sehr sicheres Flugzeug. Aber er hat dieses Verhältnis auf jeden Fall durcheinandergebracht. Die Elektronik entpuppt sich bei näherem Hinsehen vor allem als psychologisches Sicherheitsrisiko: Die Supertechnik wird überschätzt. Die Piloten verlassen sich zu sehr auf den Co-Piloten Computer und verlieren an Wachsamheit und Mißtrauen. Das wird noch dadurch forciert, daß der Crew das Fliegen zu einem großen Teil tatsächlich aus den Händen genommen wird. Der Pilot muß ein völlig anderes Fluggefühl entwickeln. Und: Die neue Technik beherrscht Flugmanöver, die er selbst mit einem konventionellen Flugzeug gar nicht wagen würde. Schließlich irritieren ihn die unvermeidlichen Softwarefehler wie falsch aufleuchtende Warnlichter, die keine Bedeutung haben, oder das häufige An- und Ausschalten der Kabinenbeleuchtung. All dies ist unter der Rubrik Elektronik-Spuk beim Airbus berichtet worden. Bleiben noch die hartnäckigen Unkenrufe über elektromagnetische Felder, die eine komplizierte Computer-Technik zum Absturz bringen können. Dies alles zeigt die Anfälligkeit der Technik, die nach wie vor nur im Zusammenspiel mit Menschen funktionieren kann.

Jetzt wird man vor allem nach den menschlichen Anteilen dieses Flugzeug-Unglücks fahnden. Vielleicht läßt sich ja noch mehr Mensch durch noch mehr Technik ersetzen. Am Ende der Entwicklung steht sicherlich auch in der Luftfahrt das unbemannte Flugzeug. Nur: Auch da werden Flugzeuge vom Himmel fallen. Und auch dann wird die Ursache auf menschliches Versagen lauten, vorverlegt in die Büros der Konstrukteure und Informatiker. Manfred Kriener