Ungarns Neonazis werden aktiv

Faschistengruppen aufgeflogen/ Gesetzlich kaum zu belangen/ Verbindungen nach Österreich  ■ Aus Budapest Roland Hofwiler

Sie nannten sich „Nationalsozialistische Ungarische Aktionsgruppe“ und standen im direkten Kontakt mit der mittlerweile verhafteten österreichischen Neonazigruppe der neuen Leitfigur Gottfried Küssel. Und dennoch ist die siebenköpfige Faschistengruppe aus dem ungarischen Györ weiterhin auf freiem Fuß, obwohl die Behörden Anfang der Woche bei Hausdurchsuchungen Munition, Gaspistolen und rechtsradikales Propagandamaterial sicherstellten und, ähnlich wie in Österreich, einen Aktionsplan zum Sturz der ungarischen Regierung.

Doch anders als in Österreich fehlen im neuen ungarischen Strafgesetzbuch adäquate Paragraphen zu nationalsozialistischen Aktivitäten. Noch immer wird an dem neuen Gesetzbuch, das seit dem Regierungswechsel vor zwei Jahren ständig umgeschrieben wird, gebastelt. Überdies ist der Umgang mit Nazipropaganda seit dem Ende des Kommunismus mehr als lasch. So fand das Györer Bezirksgericht gestern auch nicht genügend Beweise für die Gefährlichkeit dieser Neonazigruppe. Schriften allein, in der der Umsturz der Regierung gefordert würden, auch kleine Mengen von Munition, reichten nicht aus zu einer Anklage. So der zuständige Richter.

Ihn schien nicht erstaunt zu haben, daß die Truppe unter ihrem Anführer Istvan Györkös in den „Pfeilkreuzern“ (Nyilas kereszt) ihre Urväter sehen und deren Erbe fortsetzen wollen. Diese Partei riß 1944 nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Ungarn die Macht an sich. Und innerhalb weniger Monate lieferte sie Hunderttausende Juden an die SS aus. Gegen Regimekritiker aller Schattierungen wütete sie derart brutal, daß nicht wenige Menschen die Eroberung von Budapest durch die Truppen der Roten Armee als wahre Befreiung empfanden.

Doch Istvan Györkös sieht es anders. In einer Presseaussendung ließ er gestern verlauten: „Die Pfeilkreuzer verfochten die Idee des reinen Ungarntums.“ Er werde diese Ideen nun auf legalem Wege duchboxen und versuchen, seine Truppe legalisieren zu lassen. Ob es dazu kommt oder höhere Gerichtsinstanzen diese Aktivitäten stoppen werden, werden die nächsten Tage zeigen.