In Zaire geht die Angst vor einer Sezession um

Die Regierung löst die von der Opposition kontrollierte Nationalkonferenz auf und spricht von Parlamentswahlen  ■ Von Francois Misser

Brüssel (taz) — In Zaire stehen die Zeichen auf Sturm. Nachdem Premierminister Nguza am Sonntag die von der Opposition kontrollierte Nationalkonferenz auf unbestimmte Zeit „suspendierte“, kündigte er am Montag die Abhaltung von Wahlen für ein Parlament an und ließ Soldaten in der Hauptstadt Kinshasa aufmarschieren.

Es kam zu Zusammenstößen zwischen Demonstranten, die Straßensperren errichteten, und Einheiten der Präsidialgarde; die Opposition sprach von einem „unerklärten Belagerungszustand“ und rief für Donnerstag zu einer „Operation Geisterstadt“ im ganzen Land auf. Gestern früh kursierten unbestätigte Gerüchte, die wichtigsten Führer der Opposition seien verhaftet — an vorderster Stelle Etienne Tshisekedi von der „Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt“ (UDPS), der im vergangenen Herbst für wenige Wochen Premierminister war. Die offenbar mit Staatspräsident Mobutu abgesprochenen Ankündigungen Nguzas stellen einen Versuch dar, die seit August letzten Jahres mit Unterbrechungen laufende Nationalkonferenz endgültig zu begraben. Unmittelbarer Anlaß war eine Ankündigung der Regierung am Samstag, den Delegierten keine Tagessätze für Unterkunft und Ernährung mehr auszahlen zu können; sie bot ihnen statt dessen an, entweder gratis in Mobutus Präsidentenpalast zu speisen oder aber nach Hause zu gehen. Reaktion der Konferenz: ein Hilfsappell an die Bevölkerung. Nguza blieb nichts anderes übrig, als die Konferenz aufzulösen. Denn bereits zuvor hatten andere Streitereien dazu geführt, daß die regierungstreuen Gruppen samt und sonders die Konferenz verlassen hatten und der Opposition die Kontrolle des Gremiums überließen, das eigentlich über die politische Zukunft Zaires beraten soll. Schon vor einigen Wochen hatte die Regierung geklagt, in der Konferenz sei die Provinz Kasai — die Heimat des Oppositionsführers Tshisekedi, die von Mobutu vernachlässigt wurde und daher besonders stark politisiert ist — überrepräsentiert. Tatsächlich war dies das Eingeständnis eines gescheiterten Manövers der Regierung. Sie hatte einen aus Kasai stammenden Politiker beauftragt, regierungstreue Gruppen, genannt „Nahrungsmittelparteien“, mit Geldspenden zur massiven Konferenzteilnahme zu bewegen. Doch nachdem sie ihr Geld kassierten hatten, wählten alle Kasai-Delegierten den Tshisekedi-Parteigänger Laurent Monsengwo zum Konferenzvorsitzenden. Nunmehr in der Minderheit, verließen die regierungstreuen Parteien die Konferenz.

Und Ende letzter Woche schlugen auch die 200 Delegierten aus der südzairischen Kupferprovinz Katanga— Heimat des Premiers Nguza — die Konferenztür hinter sich zu. Gerade war bekannt geworden, daß in der Kupferstadt Likasi Unruhen zwischen dem Lunda-Volk und den aus Kasai stammenden Luba ausgebrochen waren. Bilanz: 15 Tote, 50 Verletzte. Nguza ist ein Lunda, Tshisekedi ein Luba — und damit erhielt der Zwischenfall nationale Brisanz. Zwar sprach Tshisekedis UDPS von „Provokation“; doch die Delegierten aus Katanga nahmen den Zwischenfall zum Anlaß ihres Auszugs.

So ist zu allem Überfluß auch die alte Furcht vor einer Sezession Katangas, wie bereits einmal in den 60er Jahren, wieder aktuell. Schon im Dezember drohte Nguza, er würde sich in seine Heimatprovinz zurückziehen, wenn man ihn nicht regieren ließe. Provinzgouverneur Kyungu Wa Kumwanza, ein Anhänger Nguzas, hat bereits die Grenzen Katangas für Lebensmittellieferungen in andere Landesteile geschlossen. „Katanga hat genug davon“, sagt er, „Tag und Nacht Milchkuh zu spielen.“ Dies ist auch die Meinung der Bevölkerung, die sich fragt, warum sie von den Einnahmen aus dem Kupfer- und Kobaltabbau nichts hat.

Diese Spannungen bereiteten den Weg dafür, daß die Regierung mit der Suspendierung der Nationalkonferenz jetzt die Flucht nach vorn antritt und, so die UDPS, mit tribalistischen Ängsten vom wahren Ziel ablenkt — nämlich dem Sturz Mobutus. Die nun von Nguza vorgeschlagene Wahl eines Parlamentes als Ersatz für die Nationalkonferenz, sagt die Oppositionspartei, ist im Sinne Mobutus: Er hat Geld und eine Infrastruktur, während die Opposition im Falle eines frühen Wahltermins unvorbereitet wäre. Nguza seinerseits hofft auf ein gutes Wahlergebnis in Katanga — und falls er landesweit schlecht abschneiden sollte, könnte er ja wieder mit der Sezession drohen.