MIT DEM HUMANKAPITAL AUF DU UND DU
: Frauen übersehen

■ USA: Kein Nachwuchsnotstand für die Wirtschaft

Washington/Berlin (taz) — Die Kassandrarufe sind schon älter: Im internationalen Wettbewerb können die USA bald nicht mehr mithalten, weil ihre Nachwuchskräfte immer schlechtere Bildungsabschlüsse mitbrächten, lauten die düsteren Prognosen über die künftige Wirtschaftskraft der Supermacht. Eine neue Studie des US- Soziologen Clifford Adelman kommt nun zu einem völlig anderen Ergebnis: Die bisherigen Forschungsarbeiten hätten schlicht die Hälfte des akademischen Potentials übersehen: die Frauen, und damit gar die bessere Hälfte.

Adelman, so das Wirtschaftsmagazin 'Business Week‘ in seiner neuesten Ausgabe, habe die Ausbildungs- und Berufswege der Highschool-AbsolventInnen von 1972 analysiert, von denen gleichviele Frauen wie Männer zum College übergingen. Egal, wie man die 1972-Klassen einteilt, ob nach ethnischer oder sozioökonomischer Herkunft, die Frauen hatten im Schnitt bessere Abschlüsse als die Männer. Für das Studium gewannen sie öfter Stipendien und zogen es meist schneller durch. Und egal welches Fach sie studierten, ihre Abschlüsse lagen trotz kürzerer Studienzeiten deutlich über denen der Kommilitonen. Auch lange nach Abschluß der Uni, mit Anfang 30, interessierten sich die Frauen eher für Weiterbildung als Männer.

Doch genauso wie die Forscher bisher die Akademikerinnen bei ihren Szenarios für die wirtschaftliche Zukunft der USA ignorierten, schauten auch die Arbeitgeber zuerst auf das Geschlecht der BerufsanfängerInnen. In allen Berufen und auf allen Ebenen waren Frauen öfter arbeitslos als Männer, selbst wenn sie keine Kinder hatten. Mit Mitte 30 verdienten sie lediglich in sieben von 33 Berufsgruppen für die gleiche Arbeit das gleiche Gehalt wie ihre Kollegen. In fünf weiteren Sparten erreichten sie nur dann die männliche Gehaltsstufe, wenn ihr Hochschulabschluß um mehrere Noten höher lag. Frauen hätten also allen Grund, unzufrieden zu sein. Erstaunlicherweise, so Adelman, ist das keineswegs der Fall. Nach der Studie waren die Frauen zufriedener mit ihren Arbeitsbedingungen und zuversichtlicher, im Job neue Fähigkeiten zu entwickeln, als die gleichaltrigen Männer. Sie meinten auch öfter, daß ihre Ausbildung ihnen im Beruf nütze. Die US-amerikanischen Frauen, so Adelman, seien die bestausgebildeten der Welt. Sie würden genauso häufig wie Männer Hochschulabschlüsse erringen, wohingegen von 100 Studienanfängerinnen in Japan nur 34, in Europa nur 42 bis 45 Prozent einen Abschluß machten. Die Wirtschaft habe — so folgert er — deshalb keinen Grund, eine Bildungskatastrophe zu beschwören. Sie sollte statt dessen die gutausgebildeten Frauen einfach produktiv einsetzen. Donata Riedel