Streit um Vertrag mit CSFR verschoben

Koalition einigte sich auf zusätzliche Resolution/ Das Papier bleibt aber eine „Black box“, denn Inhalte haben die Koalitionäre nicht vereinbart/ Unterzeichnung wohl erst nach den Landtagswahlen  ■ Aus Bonn Andreas Zumach

Der Streit um den Nachbarschaftsvertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der CSFR ist vertagt, aber nicht beendet. Eine Koalitionsrunde führender Politiker aus CDU, CSU und FDP einigte sich gestern auf die Paraphierung des Abkommens durch die Bundesregierung noch im Februar. Paraphiert wird in der derzeit vorliegenden Form inklusive des bereits von Bonn und Prag abgezeichneten Briefwechsels. Doch vereinbarte die Koalitionsrunde gleichzeitig, in Verbindung mit dem Abkommen eine zusätzliche Entschließung durch den Bundestag zu bringen. Die endgültige Unterzeichnung durch die beiden Regierungen soll zudem möglicherweise erst nach den Landtagswahlen am 5.April in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein stattfinden.

Die nächsten Wochen bis zum Paraphierungstermin im Februar dürften von Auseinandersetzungen insbesondere zwischen CSU und FDP um den Inhalt der zusätzlichen Entschließung geprägt sein. Dabei geht es im Kern um Forderungen der Sudetendeutschen Landsmannschaft, die in der CSU über Einfluß verfügt.

Zunächst hat sich also die FDP durchgesetzt, die jegliche Veränderung des bereits seit Herbst letzten Jahres fertig ausgehandelten Vertrages seit Beginn der von der CSU ausgelösten Diskussion um Nachbesserungen strikt ablehnt. Nach anfänglichem Schwanken hatte sich Bundeskanzler Kohl dieser Haltung der FDP schließlich angeschlossen. Die gestrige Entscheidung wurde in Bonn zumindest als ein Teilrückzug der CSU interpretiert. Doch wird damit gerechnet, daß die Partei ihre Forderung nach der Berücksichtitung von Vermögensansprüchen vertriebener Sudetendeutscher nun in die Verhandlungen um den Text der Bundestagsentschließung einbringen wird. Ob die CSU auch weiterhin auf aus dem Münchner Abkommen von 1938 abgeleitete Rechtsansprüche beharren wird, war gestern in Bonn nicht klar. Nach Ansicht der CSFR, war das Münchner Abkommen von Anfang an null und nichtig, da es nicht auf einer freiwilligen Entscheidung der damaligen Prager Regierung basierte, sondern auf Druck Hitlerdeutschlands zustande kam. Diese Ansicht wird von der großen Mehrheit internationaler Völkerrechtsexperten geteilt. Aufgegeben hat die CSU auch ihre Forderung nach einem zweiten Briefwechsel, zusätzlich zu dem bereits zwischen Bonn und Prag vereinbarten. In dem bestehenden Briefwechsel werden die Fragen aufgelistet, die durch den Nachbarschaftsvertrag nicht geregelt werden. Ausdrücklich erwähnt werden in de Briefwechsel sowohl Eigentumsansprüche ehemaliger Sudetendeutscher an die heutige CSFR wie auch Reparationsforderungen der CSFR an die Bundesrepublik Deutschland. Die FDP erklärte gestern erneut ihre Bereitschaft zu einer Resolution des Bundestages, solange durch diese „Geist und Sinngehalt des Nachbarschaftsvertrages nicht verändert werden“. Offen blieben gestern die Termine für die Ratifizierung des Vertrages und die Verabschiedung der begleitenden Entschließung durch den Bundestag sowie für die endgütlige Unterzeichnung des Vertrages durch die beiden Regierungen. Für die Behandlung durch den Bundestag wird in Regierungskreisen an den März gedacht. Die offizielle Unterzeichnungszeremonie durch die Regierungen möchte man mit Rücksicht auf Wählerklientele unter den Vertriebenen auf einen Zeitpunkt nach den Urnengängen in Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein am 5. April verschieben.