■ Gastkolumne
: Regierungswechsel sind sinnlos

GASTKOLUMNE

Regierungswechsel sind sinnlos

Mein Gott, das kennst Du doch: Der Senat beschließt einen harten Sparkurs, legt Summen fest und Personaleinsparquoten und bleibt zugelich unverbindlich allgemein. Einstimmige Sparbeschlüsse, die auf die Knochen schneiden sollten, haben wir in der letzten Dekade alle Jahre wieder gefaßt. Immer sind wir dabei allgemein geblieben und retteten uns mit Prüfaufträgen und Arbeitsgruppen. In Bremen also nichts Neues.

Trotzdem ist im letzten Jahrzehnt gehörig gespart worden — überall, auch bei Bildung und Soziales. Jeder kennt die öffentlichen Schlachten, in denen aufgebrachten Eltern von harten Ressortchefs erklärt worden ist, daß nichts mehr läuft. Der jahrelange Einstellungsstopp hat verheerende Folgen gehabt, die die Politik redlich verteidigt hat — auch wenn manches Schlitzohr die Kontrolleure angeschissen hat.

Nun also soll das Sparen erst richtig losgehen — Investitionen sollen gekürzt, jede dritte freiwerdende Stelle soll gestrichen werden. Dem Haushalt wird eine geringere Steigerungsrate gewährt, als die Inflationsquote beträgt. Er sinkt also in Wahrheit.

Man braucht nicht zu den kleinen Propheten zu gehören, um zu wissen, daß die gegenwärtigen Beschlüsse Unsinn sind. Spätestens bei den verschobenen Haushaltsberatungen '92 wird die Ampel spüren, daß ihr beim Sparen die Luft ausgeht. Den heftigsten Erstickungsanfall werden in Bälde die Sozialdemokraten bekommen. Sie tragen in ihren Ressorts die schwersten öffentlichen Lasten und müssen das größte Klientel weiter verprellen. Nur zynische Witzbolde können bei den Kindergärten, Jugend- und Altenheimen wieter sparen wollen. Der Gesundheitsbereich ist schon jetzt so desolat, daß jede weitere Einsparung einen ohnedies angeknacksten Pflege- und Medizinstandard bedroht. Wer Patient ist, weiß, wovon die Rede ist.

Die Unterrichtsversorgung in den Schulen ist nur in einigen wenigen Bereichen wirklich in Ordnung. Grundschulen, Sonderschulen, Berufsschulen hängen irre durch, und das mehr und mehr auch im Bundesvergleich. Die Realschule leidet unter überfüllten Klassen. Nur den Gymnasien, für die die FDP sich stark macht, geht es einigermaßen.

Die Hochschulen geben zum Sparen nichts mehr her, auch die Universität nicht. Die Großgeräte sind inzwischen veraltet, Ausstattungsstandards liegen deutlich unter Niveau und sinken rapide ab.

Obwohl es Senatstradition ist, eine Gruppe von Einzelkämpfern zu sein und jeder die Katastrophe des anderen distanziert betrachtet, wenn er glaubt, noch einigermaßen davon zu kommen, können zumindest die Grünen sich nicht freizeichnen. Um Kindergärten, Schulen, Hochschulen, Krankenhäuser haben sie immer gestritten. Deren Verelendung kann die Grünen nicht kalt lassen. Die FDP hat es da leichter: Ihr Klientel kann mit Privatschulen, Privatkindergärten und als Privatpatient dem öffentlichen Elend ausweichen.

Nein, die Ampel muß sehen, daß Bremen mit dem Sparkurs des letzten Jahrzehnts an die unverrückbare Wand gekommen ist. Was für ein Unsinn, jetzt jede freiwerdende dritte Stelle sparen zu wollen, wo doch weite Bereiche wie Gesundheit, Soziales, Bildung, Wissenschaft, Inneres das gar nicht hergeben, ja zum Teil Aufstockungen brauchen und auch versprochen bekommen haben. Sollen dann die anderen noch stärker bluten? Schon jetzt sind die Schreibdienste in den Behörden am Ende. Wo aber nicht mehr geschrieben wird, hört Verwaltung auf. In die schriftlose Zeit kann auch die Ampel nicht zurück.

Schulen, Krankenhäuser und Kindergärten sind ein einziges Gotterbarmen, was ihren Bauzustand ausmacht. Und da sollen Investitionen gespart werden? Allein das Asbest-Problem, erst in kleinen Teilen zugegeben, bringt riesige Neuforderungen an den Investitionshaushalt. Was also kann Politik in Bremen da noch tun?

Die Ampel hat mit ihren Haushaltsbeschlüssen ohnedies die Koalitionsvereinbarungen außer Kraft gesetzt — bei denen unsoliderweise sowieso über die Finanzierung nicht geredet worden war. Politik findet also in Bremen ohnedies nicht mehr statt. Es ist auch kein Zeitpunkt absehbar, wo Bremen wieder handlungsfähig wäre. Regierungswechsel sind sinnlos — jedem bleiben die Taschen leer.

In solch aussichtsloser Lage muß Politik endlich den Mut aufbringen, die Frage nach der sinnvollen Weiterexistenz des Bundeslandes Bremen zu stellen. So wie bisher geht es jedenfalls nicht weiter. Da hilft kein Sparen und auch kein Spruch aus Karlsruhe. Das unbegrenzte Elend fortzuschreiben kann nicht Aufgabe der Politik in Bremen sein. Die jüngsten Senatsbeschlüsse haben das noch einmal unterstrichen. Im Sommer reden wir weiter — und dann deutlicher. Thomas Franke

Der Autor war Senator für Bildung, Wissenschaft und Kunst