Von Kaisern und Menschen

■ »Der Kaiser vom Potsdamer Platz« von Horst Pillau im Hansa Theater

Im Sommer 1961 besitzt der herzensgute Wilhelm Kaiser (Jovial gespielt von Horst Niendorf) eine Wechselstube am Potsdamer Platz. Die Geschäfte gehen gut und das Pendeln zwischen West und Ost gehört zum Alltag. Der Zukunft blickt man gutgelaunt entgegen. Seine Tochter Kitty (temperamentvoll: Myriam Stark), ebenfalls herzensgut, aber darüber hinaus voller kesser Sprüche und einem zuckersüßen Rhabarberlächeln, hat ihre liebe Mühe mit Ehemann Klaus (der Flakhelfer als Hans Dampf: Jürgen Trott), der von Treue nicht besonders viel hält. Aber das ist schon in Ordnung so, denn: »Gegessen wird zu Hause.«

Josef (charmant und melancholisch: Marek Wlodarczik) ist ein polnischer Dolmetscher, der zwar nur gebrochenes Deutsch spricht, aber dafür Herrn Kaiser freundschaftlich ergeben ist, da dieser ihn 1945 vor der SS gerettet hat. Martin (jugendlich-optimistisch: Dietmar Wunder), ein hoffnungsfroher Nachwuchsautor aus dem Ostteil, unterscheidet sich durch behende Lebendigkeit von seiner ideologiebesessenen FDJ-Freundin Silvie (glaubhaft trocken: Debora Weigert).

Schließlich gibt es in dieser heiteren Runde noch den übergewichtigen, aber weltmännisch agierenden Bauunternehmer Bruno Apostel, der durch Korruption seine Weichen stellt und mit dem Satz: »Die Welt ist schlecht, wie kann ich da gut sein?« seine Machenschaften rechtfertigt. Leider muß er wegen einer kleinen Komplikation im Werdegang erst einmal in den Osten flüchten. Man kennt das ja.

Als Kaisers ehemalige Schankhilfe Wally (sympathisch-mütterlich: Brigitte Grothum) nach zwölfjähriger Ehe und anschließender Scheidung von Major Masters (der Mann als Held: Manfred Petersen) aus Amerika zurückkehrt, weckt sie lieblich nostalgische Gefühle in Kaisers Herz, und der Himmel hängt voller Kontrabässe. Doch der Bau der Mauer am 13. August macht so einige Hoffnungen zunichte: Klaus ist mit einem LKW im Osten unterwegs und Silvie wartet auf ihren Freund, der währenddessen bei Kaiser sitzt und von Kitty hört, daß seine Freundin schwanger ist. Kurzentschlossen wählt er den »Arbeiter- und Bauernstaat« als sein Schicksal, um Silvie beizustehen.

Herr Kaiser, von überschwenglichem Tatendrang und Heldenmut mitgerissen, gräbt einen Tunnel, um die verlorenen Schäfchen im Osten zu retten. Unterstützt wird er dabei von Josef, der zwangsweise für die Staatssicherheit arbeitet, aber auch an höhere Ziele glaubt und deswegen jeglicher Gefahr einfach trotzt. So befindet sich nach einiger Zeit alles im Hause Kaisers voller Sand, den die beiden aus dem märkischen Untergrund buddeln. Die Fluchtaktion gelingt, und alle sind wieder hübsch beeinander — nur der Pole mußte dran glauben. Fast wie im richtigen Leben.

Auf der naturalistischen Bühne von Klaus-Ulrich Jakob, die in den Farben Braun und Beige gehalten ist, also in gemütlicher Alt-Berliner Atmosphäre, hat Horst Niendorf dieses Volksstück inszeniert. Die SchauspielerInnen (mit Ausnahme des polnischen Gastes) berlinern alle lustig vor sich hin, denn bei allem Ernst der Lage darf der urtümliche Berliner Witz nicht fehlen. So gerät das problembeladene und latent sozialkritische Stück zu einer kleinen Kurzweilensoire: zwischen Kaviar und Wodka gibt es noch einen Klaren. Die Zeiten sind zwar schlimm, aber Berlin ist eben doch die schönste Stadt der Welt. Das weiß man, das bleibt auch so, und der Rest ist eigentlich egal.

Nach den beiden Vorläufern Der Kaiser vom Alexanderplatz und Der Kaiser von Neukölln hat Horst Pillau nun mit Der Kaiser vom Potsdamer Platz eine Trilogie der Kaiser beendet. Das Stück bietet all denjenigen ein Theatervergnügen, die Volksstücke mögen und das Berliner Milieu schätzen. Es ist eine eigene Art von Theater, das weder den Aspruch an Kunst hegt, noch Experimente für nötig hält, sondern nur den eingeschworenen Kreis seiner Anhänger unterhalten möchte. Und das gelingt. York Reich

Weitere Aufführungen: täglich, außer montags, jeweils um 20 Uhr im Hansa Theater, Alt-Moabit 48.