»Beispiellose Doppelzüngigkeit«

■ Senatsbauverwaltung wendet sich entschieden gegen Vorschläge der Finanzverwaltung, landeseigene Häuser zu verkaufen/ Mieterverein: Zerstörung gewachsener Strukturen

Berlin. Der Verkauf von landeseigenen Häusern ist im Senat umstritten. Der Referent von Bausenator Wolfgang Nagel, Erich Jesse, sprach sich entschieden dagegen aus. In der Bauverwaltung kursiert ein Diskussionspapier, in dem vorgeschlagen wurde, durch den Verkauf von städtischen Häusern und die Abwicklung von Sanierungsgebieten die staatlichen Zuschüsse für die Stadterneuerung zu senken (die taz berichtete gestern).

»Wir halten nichts davon, daß das Tafelsilber veräußert wird, während wir auf den defizitären Beständen sitzen bleiben«, sagte Jesse gestern auf Anfrage. An dem fraglichen Diskussionspapier hätten Mitarbeiter sowohl der Bau- wie auch der Finanzverwaltung teilgenommen. Die Vorschläge, landeseigene Häuser zu verkaufen und auf Erhaltungssatzungen zu verzichten, seien samt und sonders von der Finanzverwaltung gekommen — und das sei im übrigen nicht zum ersten Mal geschehen, so Jesse.

Der Berliner Mieterverein wand sich gestern ebenfalls dagegen, Stadterneuerung an private Investoren zu übertragen. Dies führe zur Mietenexplosion, Mietervertreibung und Zerstörung gewachsener Strukturen. Sollte der Senat den in dem Diskussionspapier vertretenen Standpunkt übernehmen, daß das geltende Mietrecht zur sozialen Absicherung ausreiche, sei dies eine »beispiellose Doppelzüngigkeit«, da sich der Senat offiziell in Bonn für eine Verbesserung des Mietrechts einsetze.

Wenn der Senat auf weitere Erhaltungssatzungen verzichte, bedeute dies die generelle Bankrotterklärung einer Wohnungspolitik im Interesse der Menschen. esch