»Lappenkrieg« und brennende Autos

■ Bürgerinitiativen bereiten gemeinsamen Protest gegen inneren Stadtstraßenring vor/ Wachsende Öko-Bedenken gegen Tiergartentunnel

Berlin. Ebenso wie die betroffenen City-Bezirke wollen sich auch Bürgerinitiativen und Stadtteilgruppen gemeinsam gegen den Ausbau eines Autostraßenrings rund um die Innenstadt wehren. Auf einem Treffen am Dienstag abend wurde beschlossen, ab März an den zum Ring führenden Straßen in hoher Auflage Protestflugblätter zu verteilen. Es gelte, den Betroffenen die »Horrorvision« eines Straßenrings mit neuen Blechlawinen direkt »vor der Haustür« vorzuführen, so Karl-Heinz Ludewig von der BI Westtangente. Durch die Schließung des Straßenrings erhielten Autofahrer die »Vorfahrt direkt ins Herz der Stadt«, kritisierte Ludewig. Dabei sei der Innenstadtbereich, den der Senat mittels des Ringbaus vom Durchgangsverkehr frei halten möchte, viel kleiner als allgemein angenommen — er umfasse nur zweieinhalb Prozent der Berliner Stadtfläche. Der vom Senat geplante Ring führt über die Uferstraße am Landwehrkanal und die Skalitzer Straße zur Oberbaumbrücke, geht von dort weiter über Warschauer, Dimitroff-, Bernauer und Invalidenstraße zum Tiergartentunnel. Zu schließende Lücken gibt es nur noch an der Oberbaumbrücke und der Bernauer Straße.

In dem großformatigen Flugblatt sollen die Kosten des Rings mit denen eines Straßenbahnausbaus verglichen werden. Ein oder zwei Wochen vor den Kommunalwahlen im Mai soll die Kampagne dann in einem großen »Aktionstag« gipfeln. Die Vorstellung ist, um den Straßenring ein riesengroßes Stadtfest zu veranstalten, bei dem 10.000 Teilnehmer eine Menschenkette bilden.

Vorschläge für weitere mögliche Aktionen zur Mobilisierung der Anwohner gab es am Dienstag unter den versammelten Bürgerinitiativen reichlich. Ein Sprecher der Kreuzberger BI »Stoppt die Blechlawine« plädierte etwa für eine »gemeinsame Autoverbrennung auf der Dimitroff- statt auf der Oranienstraße«. Andere regten einen Autokorso mit stinkenden Trabis oder ein Baumpflanzaktion à la Ben Wargin in Blechkarossen an, um den Fetisch Auto sinnhaft in Frage zu stellen. Denkbar sei auch, daß Bewohner der Ringstraßen an den Hausfassaden Protesttransparente aufhängen und wie weiland die Hausbesetzer gegen den damaligen US-Präsidenten Reagan einen »Lappenkrieg« anzetteln. Wie bei dem Treffen deutlich wurde, gibt es bei den BIs allerdings unterschiedliche Meinungen über die Ausrichtung der Protestkampagne. Einige Sprecher äußerten Zweifel an der Durchschlagkraft von bloßen Protesten.

Am Tiergarten-Straßentunnel, der Bestandteil des Stadtstraßenrings sein soll, üben unterdessen außer den BIs immer mehr Experten Kritik. »Weil das Grundwasser im Tiergarten so hoch steht und Klimaschneisen zugezogen werden, sehe ich da noch große Probleme«, sagte der Verkehrsplaner Volker Sparmann zur taz. Bevor nicht über eine Vegetationsperiode, also über zwölf Monate hinweg, die ökologischen Auswirkungen eines Tunnelbaus auf Boden, Wasser und Luft untersucht seien, könne man zu dem Projekt nicht ja sagen. Da der Tunnel bestenfalls Stadtstraßencharakter habe, sei der »Verkehrskollaps programmiert«, so Sparmann. Thomas Knauf