Verdummungsgebot

■ „Explosiv“, Dienstag, RTLplus, 22.05Uhr: Bazon Brock vs. Heinz Schenk&Gotthilf Fischer

Wenn die Volksmusik die Nahrung der Liebe sein soll, dann laß mich bloß Single bleiben. So oder ähnlich hätte sich Shakespeare zu der Sendung Explosiv Dienstag abend in RTLplus äußern können. Der heiße Stuhl war besetzt durch den eloquenten Professor Bazon Brock, der schlicht die rein rhetorischeThese vertrat, Volksmusik sei Volksverdummung.

Diese zu widerlegen versuchten auf den geblümten Sesseln die angeblich „nicht an der Volksmusik verdienenden“ Heinz Schenk, der Berufshesse, Thomas Scholl, der Jodler im Kuhstall, Peter Feller, ein Nationalstolzer, Gotthilf Fischer, Chorleiter der ostdeutschen Antidrogenszene und Uschi Bauer, der adrette Regenwurm unter den Volksmusikstars.

Kurz zusammengefaßt begründete Bazon Brock seine These immer wieder damit, daß die Volksmusik ihren Hörern eine schöne heile Welt vorgaukle, die Realitäten einer kranken Umwelt jedoch nicht berücksichtige. Zu den Zeiten, als Lieder als musikalische Tradition gedächtnismäßig weitergegeben wurden, haben diese vielleicht eine Daseinsberechtigung gehabt — im Zeitalter der modernen Massenmedien und perfekten Telekommunikation aber wirken sie eben so wie Klowürfel im nationalen Spülkasten der Unterhaltung.

Gerade dieser Unterhaltungsgedanke im Sinne des Freudebringens wurde durch die Vertreter des Kontragedankens breitgetreten und auch als „Lebenshilfe in schwierigen Situationen“ hervorgehoben. Krebskranke werden gesund durch gesungene heilende plätschernde Bäche! Grenzt es nicht an hemmungslosen Zynismus im Zeitalter des ätzenden Smogs und des sauren Regens, das Erscheinungsbild des Waldes zu besingen, oder ist das bewußte Ablenkung von der Realität? So gesehen ist Volksmusik das Hilfsmittel der Regierenden, die Narkose fürs Volk — damit Kernkraftwerke und achtspurige Autobahnen widerspruchslos gebaut werden können.

Während Beton-Krause Deutschland mit Überholspuren und Eisenbahnkonzepten aus den Seventies zupflastert, steht die geistig verhuschte Bevölkerung da und ergötzt sich an schon längst dahingesiechten Blumenarten.

Schon der Name Volksmusik hat etwas volksinzestuöses an sich. Er erinnert an Volkssturm und Volksverhetzung, wozu sich die Volksmusik auch in der Tat gut gebrauchen läßt. Dies könnte den Regierenden so ins Dirndl passen.

Die Tatsache, daß durch die Zusammensetzung von Musik und Politik die große Masse am politischen Leben teilnehmen kann, scheint noch nicht bis zu den waldtapetenliebenden Volksmusikanten durchgedrungen zu sein. Insofern hatte Bazon Brock recht: Volksmusik ist Volksverdummung! Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie jodeln! Spence