: ETA bereitet sich auf Olympiajahr vor
Symboljahr begann mit Anschlagwelle der baskischen Organisation/ Polizei verhaftet ziellos und tappt ansonsten im dunkeln/ 36.000 Polizisten bei den Olympischen Spielen in Barcelona ■ Aus Madrid Antje Bauer
Drei angebliche Mitglieder der baskischen Separatistenorganisation ETA sowie drei französische angebliche Unterstützer nahm die französische Polizei am Dienstag in Südfrankreich fest. Es schien eine Antwort auf den spanischen Innenminister Jose Luis Corcuera zu sein, der am selben Tag in den Cortes eine stärkere Zusammenarbeit der Franzosen in der Terrorismusbekämpfung gefordert hatte. Das neue, das gefürchtete Symboljahr 1992 hat mit einer Serie von Attentaten der ETA begonnen. Am 8.Januar wurde in Barcelona der Luftwaffenkommandant Arturo Anguera erschossen. Seine beiden Begleiter erlitten schwere Verletzungen. Am 15.Januar fiel in Valencia der Professor und Mitautor der spanischen Autonomieverträge Manuel Boseta den ETA-Kugeln zum Opfer. Am Tag darauf starben zwei Musikanten einer militärischen Musikkapelle in Barcelona im Kugelhagel. Die ETA schien damit von der Praxis der Autobomben und Sprengstofflegungen abgekommen zu sein, die wiederholt als Schwäche der bewaffneten Gruppe ausgelegt worden war. Daß die baskische Organisation in diesem Jahr die symbolträchtigen Orte Barcelona, Sevilla und Madrid verstärkt zu Attentaten nutzen würde, hatte das Innenministerium erwartet, auch wenn der frühe Zeitpunkt überraschte. Die Angst der spanischen Behörden vor einem Massaker bei der Olympiade oder auf dem Gelände der Weltausstellung scheint für die ETA mit der Hoffnung verbunden zu sein, die Regierung an den Verhandlungstisch zu zwingen.
„Vielleicht bekommen wir bald ein Waffenstillstandsangebot“
Die Häufung der Anschläge sollen die Gruppe möglicherweise in ihrer Ausgangsposition für Verhandlungen stärken. Der Vorsitzende der baskischen nationalistischen Partei PNV, Xabier Arzallus, erklärte denn auch: „Die Tatsache, daß sie so früh begonnen haben, mag bedeuten, daß wir vielleicht bald ein Waffenstillstandsangebot bekommen.“ Im Versuch, den Gegner zu schwächen, ist auch die spanische Polizei verstärkt in Aktion getreten — freilich nicht immer sehr glücklich. Ende Dezember hatte sie in Sevilla die Wohnungstür eines Hauses gesprengt und vier baskische Gäste der Anwohner sowie den Gastgeber, einen andalusischen Rockmusiker, festgenommen. Einziges Verdachtsmoment der Staatsschützer war das Auto der Basken mit Bilbaoer Kennzeichen und die Tatsache, daß der sprengstoffschnüffelnde Hund vor dem Auto angeschlagen hatte — freilich hatte seine Aufregung nicht Explosivstoffen, sondern dem aus dem Baskenland mitgebrachten Stockfisch gegolten. Nach zwei Tagen Isolationshaft wurden sämtliche Verdächtigen wieder auf freien Fuß gesetzt.
Auch die jüngste Aktion der Staatsschützer erscheint eher ein Verlegenheitsspektakel angesichts der Unfähigkeit, des „mobilen Einsatzkommandos“, auf dessen Konto die letzten Anschläge gehen, habhaft zu werden. Am vergangenen Samstag wurden in Madrid vier angebliche Mitglieder der linken chilenischen Organisation MIR festgenommen. Sie sollen bis 1989 mit der ETA zusammengearbeitet und unter anderem die „Volksgefängnisse“ gemietet und betreut haben, in denen 1983 der Unternehmer Diego Prado y Colon de Carvajal und 1988 der Unternehmer Emiliano Revilla während ihrer Entführung leben mußten. Seit 1989 ist der Kontakt jedoch angeblich abgebrochen und die Madrider sind „Volksgefängnisse“ verschlossen, da die ETA für die Beteiligung des MIR an der Entführung von Revilla weniger als den vereinbarten Preis bezahlt hatte. Rene Valenzuela Bejas, einer der Festgenommenen und angeblicher Mitgründer des MIR, verneinte laut Polizeiangaben jeglichen Kontakt mit der ETA.
Während der Innenminister am Dienstag die Unterstützung sämtlicher Parteien für die Terrorismusbekämpfung einholte, gehen in Barcelona die Sicherheitsmaßnahmen weiter: Mehr als 36.000 Polizisten sollen die Olympischen Spiele bewachen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen