US-Wirtschaft soll in dicker Luft gesunden

■ Präsident George Bush will Clean-Air-Act stoppen, um die schlappe Konjunktur anzukurbeln/ Viele US-Großstädte können Grenzwerte aus den 70er Jahren nicht einhalten/ Industrie fürchtet Kosten

Washington/Berlin (taz) — US- Präsident George Bush will offenbar auf einen Trick seines Vorgängers Reagan zurückgreifen, um die amerikanische Konjunktur anzukurbeln. Der Präsident plane für sein Wachstumspaket einen dreimonatigen Aufschub aller neuen Gesetze und Verordnungen, hieß es zu Wochenbeginn in Washington. Das Küchenkabinett des Präsidenten, bestehend aus seinem Vize Dan Quayle, Budgetdirektor Derek Jarman und Michael Boskin, dem Chef des wirtschaftspolitischen Beraterstabs, habe das Moratorium einmütig gebilligt. Mit einem solchen Schritt hatte Vorgänger Reagan zu Beginn seiner Amtszeit Verordnungen der umweltbewußteren Carter-Regierung gestoppt.

Auch diesmal würde sich ein Moratorium vor allem gegen schärfere Umweltgesetze richten, besonders gegen den sogenannten Clean-Air- Act. Das Gesetz sieht weitreichende Eingriffe in die Wirtschaft zur Verbesserung der Luftreinhaltung in Großstädten vor. Viele Großstädte haben es mit den bisherigen Verordnungen nicht geschafft, die Grenzwerte einzuhalten, die ursprünglich bereits Ende der siebziger Jahre erreicht werden sollten. Industrievertreter hatten in den vergangenen Monaten geklagt, die neuen Luftgüte- Verordnungen würden sie pro Jahr 25 Milliarden Dollar (40 Mrd. Mark) kosten. Robert Hahn, ein früherer wirtschaftspolitischer Berater Bushs, schätzte sogar, daß alle 1992 in Kraft tretenden und vorgeschlagenen Umweltvorschriften in der Wirtschaft mit 70 Mrd. Dollar zu Buche schlagen könnten.

Neben der Luftreinhaltung stehen Neuregelungen für niedrigradioaktiven Müll, die Trinkwasserreinhaltung und Altlastensanierung auf dem Programm der Umweltbehörde EPA. Deren Chef William Reilly will sich so leicht nicht geschlagen geben. Schließlich ist Bush als selbsterklärter Umweltpräsident ins Amt gelangt. Reilly schlug dem Kongreß kürzlich den weitreichenden Schutz von Feuchtgebieten vor, obwohl Vizepräsident Quayle den Verzicht auf die Vorschläge gefordert hatte. Und der Chef der Gesundheitsbehörde, David Kessler, hat neue Etiketten für Lebensmittel durchgesetzt, die die Industrie nach eigener Einschätzung rund 3 Mrd. Dollar kosten werden.

Statt neuer Regulierungen will das Küchenkabinett Sicherheitsvorschriften bei der Einführung genetisch veränderter Pflanzen oder Mikroorganismen abschwächen, die Bush erlassen hatte. Insgesamt war die Regierung bislang aktiver in der Gesetzgebung gewesen als ihre Vorgängerin. Nach einer Zählung im vergangenen Oktober hat sie über 4.800 Verordnungen in Arbeit, davon 919 neue. Hermann-Josef Tenhagen