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Asyldebatte: Koalitionskrach in Hessen

Interview mit Iris Blaul (Grüne) bringt Ministerpräsident Eichel (SPD) in Rage/ Grüne fordern Gesprächsboykott, solange die Union das Grundgesetz ändern will  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — „Ich muß mir wirklich die Frage stellen, wie lange sich das die Sozialdemokraten noch bieten lassen wollen?“ Die hessiche Sozialministerin Iris Blaul (Die Grünen) nahm gestern Stellung zu dem bösen Spiel, das die CDU in der Asyldebatte mit der SPD treibe — und sie hat damit ihren Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD) in Harnisch gebracht.

Wie aus dem hessichen Sozialministerium zu hören war, soll Eichel bereits kurz nach dem Interview im 'hr‘-Hörfunk bei Blaul interveniert haben. Tenor: Was geht Sie eigentlich die Rolle der Sozialdemokraten im Konflikt mit der Bundesregierung und der CDU/CSU an? Der taz sagte Regierungssprecher Stather, daß die von der Ressortaufteilung her für die Unterbringung und Betreuung von Asylbewerbern zuständige Sozialministerin vom Kabinett nicht autorisiert gewesen sei, eine Stellungnahme zum Thema abzugeben. „Wir haben Frau Blaul nicht beauftragt. Wir haben das Interview allerdings mit Interesse zur Kenntnis genommen.“

Die Grünen im Landtag diagnostizierten gestern eine „offenkundige Überempfindlichkeit“ des Koalitionspartners. Hintergrund für die erste ernsthafte Mißstimmung in Hessens rot-grüner Koalition ist wohl Blauls Hinweis auf die divergenten Positionen der SPD — von der Schröder-Linie über die hessischen Beschlüsse bis hin zu dem, was die SPD-Verhandlungsführer in Bonn vortragen würden. Das Problem sah in der vergangenen Woche auch der niedersächsiche Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD): „Mangelnde Abstimmung“ mit den SPD-geführten Bundesländern hatte Schröder seinen Bonner Parteifreunden vorgeworfen.

Doch der Chef der rot-grünen Landesregierung in Hannover steht mit seiner Kritik alleine. Ministerpräsident Eichel liege zwar inhaltlich auf Schröders Linie — dennoch haben wir „das Gefühl, daß wir in Bonn gut vertreten werden“, so Eichels Sprecher Stather.

Den erneuten Vorstoß der Union zur Änderung des Grundgesetzes wertete Sozialministerin Blaul gestern als Provokation der SPD: „Aber ich hab ja nicht die SPD auf Bundesebene zu beraten.“ Deutlicher wurde da Rupert von Plottnitz. Der grüne Fraktionsvorsitzende forderte die SPD auf, die Gespräche in Bonn solange zu boykottieren, wie die Union mit der Forderung nach einer Grundgesetzänderung hausieren gehe.

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