Kucken, dolle kucken!

■ Achim Manz, Bildhauer mit Wahlheimat Bremen, darf in die Villa Massimo / Eine langsame Biografie

Eine Beton-Rennbahn, die im Nichts endet; Spielfelder, deren Strafräume ins Bodenlose versunken sind: Achim ManzFoto: Jörg Oberheide

Wo andere vom Lokomotivführer träumen, hat er als Junge davon geträumt, einmal in die Villa Massimo in Rom zu kommen. So einer ist Achim Manz, einer der sperrigsten, publicity-scheusten und phantasievollsten Bremer Künstler. Sein Kindertraum hat sich erfüllt: Der Bildhauer ist für ein neunmonatiges Stipendium in Rom nominiert worden, als fünfter Bremer Sohn, der so ausgezeichnet wurde; nach Hans-Wil

helm Sotrop, Axel Knoop, Thomas Hartmann und Hartmut Neumann.

Nicht etwa, daß das Elternhaus ihm eine solche Karriere nahegelegt hätte: Der Vater des jetzt 34-jährigen Ruhrgebiets-Kindes (Lünen bei Dortmund) ist Bergmann, mit Kunst hatte Achim Manz lange Zeit nichts am Hut. Aber mit „Kucken“. In aller Ruhe „gute Formen“ ankucken, das liebte er. Die fand er aber nicht im

hierhin bitte das Foto

von dem Mann im Winkel

Ruhrpott.

Nach dem Abitur zog er in die Landschaft, die er brauchte: Ostfriesland. Endlos flach mit wenigen Objekten drin. Er jobte in Emden bei VW, fuhr mit seinem Segelboot auf die Inseln, dann leistete er sich, zwei Jahre lang nur zu kucken. Um sich darauf eine Stadt auszusuchen.

Das war Bremen, 1983. Das Architektur-Gemisch, das Stadtbild, der Fluß, die politische At

mosphäre lockten ihn. Als biografischer Irrweg stellte sich schnell die Uni heraus: Kunstpädagogik.

Das war weder praktisch noch theoretisch befriedigend. Nicht unbedingt den goldenen, aber den festen Boden des Handwerks suchte Manz. Und fand ihn in Huckelriede beim Friedhof. Dort arbeitet der Bildhauermeister Jürgen Blode, der Manz eine „Quasi- Lehre“ ermöglichte. Grenzen im Material finden, Säulen und Kapitelle schlagen, Blumenständer, Sonnenuhren: Hier, sagt Manz, fand er seinen Beruf. Er spricht es wie „Berufung“ aus.

Im Atelier im Lagerhaus Schildstraße startet er 1986 mit viel Druck und großer Langsamkeit. Die braucht er. „Dicht bei der Sache, doll konzentriert.“ Wieder zwei Jahre lang brütete er, ganz dem überkommenen Künstler-Klischee entsprechend, in Abgeschiedenheit und Ruhe. Er produzierte, aber „nicht für draußen“.

Seit gut vier Jahren zeigt Achim Manz seine Arbeiten. Mit ständig wachsendem Erfolg. In Bremen, Cuxhaven, München (RischArt-Preis '88), Hamburg. In Museen und Galerien und im „öffentlichen Raum“. Da, wo sie hingehören: „Meine Sachen werden nicht privat verkauft; wenn ich schon so lange daran arbeite, sollen es viele Leute sehen!“ Eine Haltung, die er der Bremer sozialen Künstlerförderung verdankt.

Seine irritierenden, oft auch provozierenden Objekte wirken oberflächlich betrachtet wie Architektur-Modelle. In der Regel werden roter Backstein (“warm“) und Beton (“kühl, streng“) verarbeitet. Zuletzt in der Bremer Kunsthalle und beim „Kunstfrühling“ in der Eislaufhalle waren seine verkehrten Wettkampfstätten zu sehen: eine Beton-Rennbahn, die im Nichts endet; ein Spielfeld, dessen „Strafräume“ im Bodenlosen verschwunden sind. Absurder Sport als Metapher für Gesellschaft.

In Hamburg hat Manz große Hundehütten für Obdachlose gezimmert, die alsbald bezogen wurden: eine als zynisch kritisierte, politisch intendierte Aktion. In Bremen hat er — Thema Ausländer-Wahlrecht — eine Wahlkabine hermetisch verschlossen. Doch Achim Manz hat auch eine ganz und gar spaßige Nebenexistenz, von der kaum einer etwas ahnt: An ausgewählten Orten Bremens befestigt er unauffällige Kunst-Stücke in der Art eines überraschend gefüllten Kaugummi-Automaten u.s.f. Für Leute, die mit offenen Augen durch die Stadt gehen.

Anfang 1993 will Achim Manz in die Villa Massimo ziehen. Ob er dort vor lauter Architektur und Wein und Leben wird arbeiten können? „Ist nicht schlimm, wenn ich da kein einziges Teil machen kann. Wenn ich die Zeit nur gut gekuckt habe!“ Burkhard Straßmann