„Mir genügt eine Stimme, wie Adenauer!“

■ DVU-Abgeordneter Vorsatz zum Sprecher der Kulturdeputationn gewählt / „Zusammenarbeit außerordentlich fair“

Der DVU-Mann Karl-Heinz Vorsatz, 64, ist mit einer einzigen Stimme, seiner eigenen, wie er selbst sagte, gestern von der Kulturdeputation zu ihrem Sprecher gewählt worden. Am frühen Morgen vor der Sitzung waren alle andern 11 Deputierten von CDU, Grünen, FDP und SPD übereingekommen, sich der Stimme zu enthalten. „Mir genügt es, auch mit einer Stimme gewählt zu werden, so wie Adenauer“, hatte Vorsatz schon vor der Sitzung gegenüber den zahlreichen JournalistInnen, Fotografen und Kameraleuten kommentiert.

Am langen Tisch nahmen schließlich die 12 Deputierten Platz. Detmar Leo, Vorsitzender des SPD-Unterbezirks Nord, rückte demonstrativ einen Stuhl weiter, um nicht neben dem DVU-Mann sitzen zu müssen. Manfred Fluß, medienpolitischer SPD-Sprecher, nahm dann dort Platz und erklärte nachher der taz: „Wir sitzen nun mal gemeinsam in der Bürgerschaft, und wir müssen auch miteinander sprechen.“

Nach der Sitzung waren eine im Medienrummel sehr zurückhaltende Kultursenatorin Helga Trüpel und ein zufriedener frischgebackener Sprecher Karl-Heinz Vorsatz zu sehen. Vorsatz erfüllt so ganz und gar nicht das bequeme Klischee vom Rechtsradikalen, der mit bornierten Deutschland- Parolen und „Ausländer-raus“- Sprüchen auf Rattenfang geht: Karl-Heinz Vorsatz ist ein höflicher, umgänglicher Mann. Er hoffe, „eine gute Kulturarbeit im Rahmen der Möglichkeiten machen zu können“, sagte er und bezeichnete sich als „liberalen Geist“, der nicht verstehe, „welches Brett ich immer vor den Kopf genagelt kriegen soll“.

Er werde jedenfalls mit allen zu sprechen versuchen, auch angesichts einiger „voreiliger Verlautbarungen“ aus der Kunst- und Kulturszene, die dafür plädiert hatten, ihn schlicht zu ignorieren und zu meiden. Überhaupt, so Vorsatz zur taz, finde er insgesamt bisher „die Zusammenarbeit außerordentlich fair, deutlich besser als vor 20 Jahren“.

Wer weiß schon, wie die Deputationssprecher für Bau, für Sport oder für Bildung heißen? Der DVU-Mann selbst relativierte die Debatten der vergangenen Wochen: „Ich verstehe die ganze Aufregung über meine Funktion nicht recht. Ich vertrete vor der Bürgerschaft die Beschlüsse, die Mehrheits-Beschlüsse, der Deputation. Das darf man nicht überbewerten.“

Persönlich, biographisch hat sich Vorsatz, der 1984 noch dem siebenköpfigen Präsidium der NPD angehörte, höchstens „als interessierter Bürger“ mit Kunst und Kultur befaßt: „Ich bin mit Bach groß geworden.“ Über welches Theater-, Musik- oder Ausstellungsstück er sich in den letzten Monaten beispielweise begei

hierhin bitte

den Mann mit Radio-Leuten

Karl-Heinz Vorsatz, umstellt von der interessierten Öffentlichkeit.Foto: Wolfram Steinberg

stert oder aufgeregt hätte, mochte er aber nicht verraten: „Da fühl' ich mich ja wie im Examen.“

Zum Thema ABM-Misere, das auf die nächste Sitzung verschoben wurde, findet Vorsatz, daß es nicht um „elitäre Kultur“, sondern um „Breitenkultur“ gehen

muß, die „in den Stadtteilen ans Volk“ gebracht gehöre. Der Rektor der HfK, Jürgen Waller, hatte laut und öffentlich befürchtet, für Vorsatz sei „unsere Kunst doch entartet“. Das, kritisiert Vorsatz in sachlichem Ton, sei „so ein Totschlag-Argument mit der antifaschistischen Keule“. Er sei, wenn in der Kunsthalle die Ausstellung „Entartete Kunst“ gezeigt werde, gerne bereit zum Gespräch über „diesen negativen Teil unserer Geschichte“. Daß aber Otto Mühl zum Beispiel kein Künstler sei, hätte er schon vor 20 Jahren gesagt — und der sei ja „inzwischen auch als Kinderschänder verurteilt“.

Die Kultursenatorin und Deputations-Vorsitzende Helga Trüpel zeigte sich über diese erste konstituierende Sitzung „nicht persönlich erfreut“, fand es aber auch „falsch, mit juristischen Tricks Märtyrer zu produzieren“. Natürlich müsse und wolle sie „die bürgerlichen Umgangsformen wahren“, aber niemand könne sie verpflichten, „besonders freundlich oder kooperativ“ zu sein. Susanne Paas