Vom „Piff-Paff“-Cowboy zum Automatenkrieg

Waren- und Spielautomatenmesse in Frankfurt: Ein „Muß“ für den Zocker dostojewskischer Prägung — und für den, der sich stillos am Automaten ruinieren will/ Für den Branchenführer Gauselmann liegt die Zukunft im Osten  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Gauselmann und Company wollen die Zukunft „together createn“ — so jedenfalls lautet das Motto der diesjährigen Internationalen Messe für Waren- und Spielautomaten (ima), die noch bis zum Sonnabend in den Hallen der Frankfurter Messegesellschaft für einen gleichbleibend hohen Lärmpegel über dem Westen der Mainmetropole sorgen wird. Tausende von Glücks- und Geldspielautomaten, Musikboxen und casinotauglichen Slot-Machines jaulen, stöhnen und fiepsen die Tonleiter rauf und runter oder sondern pausenlos ein harmonisches „Düdelüt“ ab. Dazu schickte Joy Flemmig gestern am gewaltigen Stand des Marktführers Paul Gauselmann über riesige Boxen Bluesiges durch die Endlosgänge. Und am rettenden Ausgang hauten zehn Äffchen aus Plüsch ihre winzigen Konzertbecken zusammen— auch die „Bimbo-Box“ aus den 50er Jahren durfte auf der „Futureworld-Messe“ nicht fehlen.

Mitten in all diesem Chaos saß der „Spielotheken“-Macher Paul Gauselmann, der im letzten Jahr über eine Milliarde Mark Umsatz gemacht hat, wie ein Fels in der akustischen Brandung auf einem Podest im TV-Room seiner Unternehmensgruppe. Weil die Gewinnmargen, die Gauselmann seit knapp zehn Jahren aus den Geldbeuteln der immer jünger werdenden Automatenspieler holt, im Geschäftsjahr 1991 stagnierten, beschimpft er den Staat, der das Spielen an geldgierigen Geräten nur erwachsenen Menschen ab achtzehn Jahren gestattet. Doch bei den „Geldspielen wie Lotto oder Toto, bei denen der Staat selbst die Finger im Spiel hat“, gebe es keine Altersgrenze, moniert er. Natürlich wolle er den „Kids nicht das Geld aus der Tasche ziehen— aber gegen „altersgerechte“ Spielotheken mit netten Angestellten und den entsprechenden Spielen könne man doch nichts haben. Technikfeindlichkeit warf der Branchenführer vor allem den Gesundheitsministerien vor. Früher hätten die Kinder „Piff-Paff“-Cowboy gespielt — und heute eben „Star Wars“.

„Scheinheilig“ sei der Staat auch deshalb, weil er die Automatenbranche gnadenlos schröpfe. Erhöhte Mehrwertsteuersätze muß das Gewerbe berappen. Und alleine an Vergnügungssteuern habe die Branche in den letzten fünf Jahren eine Steigerung von 126 auf über 400 Millionen DM hinnehmen müssen. Das offizielle Messeorgan 'Münzautomat‘ wird noch deutlicher: „Die Branche darf die Melkkuh spielen und sich dafür auch noch moralische Vorhaltungen machen lassen.“

Daß in den Suchtberatungsstellen der Großstädte immer mehr Spielsüchtige auftauchen, die an den armlosen Banditen mit den „Risikoleitern“ Hab und Gut verpulvert haben, wird von der klagenden Branche schlicht ignoriert. „Stätten der Begegnung fröhlicher junger Menschen“ seien seine „Spielotheken“, so Gauselmann. Tatsächlich fehlen noch immer verläßliche statistische Angaben über spielsüchtige Menschen, wie der zuständige Regierungsdirektor im hessischen Sozialministerium, Lothar Dicks, auf Nachfrage einräumte. Entgegen der „Gib Gas — ich will Spaß“-Philosophie der Automatenhersteller stehe aber fest, daß spielsüchtige Menschen in der Regel einsame Männer sind. Dicks: „Da läuft weder eine verbale noch eine nonverbale Kommunikation ab.“ Fest stehe aber auch, daß die Spielsüchtigen, die eine Beratungsstelle aufsuchten, ausschließlich Automatenspielsüchtige seien. Roulettespieler oder Black-Jack-Liebhaber aus den staatlich lizenzierten Casinos seien bislang noch in keiner hessischen Suchtberatungsstelle aufgetaucht. Dicks: „Die gehen vielleicht eher zu einem Arzt ihres Vertrauens.“

Auf der ima in Frankfurt kommen allerdings auch die „Edelzocker“ auf ihre Kosten. In der schallgedämpften Halle 4 zeigen ausgesucht schöne Frauen den Saalchefs der europäischen Spielbanken die neusten Roulettekesselmodelle oder Slot-Machines für das „kleine Spiel“. Und weil im goldenen Westen der Markt gesättigt ist, schielen die Gauselmänner gen Osten. Brückenköpfe hat der Marktführer schon „gebaut“ — in Leipzig, Dresden, Erfurt und Magdeburg. Und in fünf Jahren, so Gauselmann, stehe in jeder ostdeutschen Stadt mit mehr als 50.000 Einwohnern eine „Spielothek“. Und Polen die CSFR oder Rußland? Gauselmann: „Wenn da erst die Schienen gebaut sind, dann gibt das einen riesigen Markt für uns— und nicht nur für uns.“