DGB-Chef ringt um Gewerkschaftsreformen

Berlin (taz) — In ungewohnter Rolle trat der DGB-Vorsitzende Heinz- Werner Meyer am Dienstag während einer Klausurtagung des DGB-Vorstandes in Hattingen vor seine Kolleginnen und Kollegen: Nicht nur mit wohlgesetzten Worten, sondern bewaffnet mit Overheadprojektor und Schaubildern versuchte er die Spitzenfunktionäre der deutschen Gewerkschaftsbewegung auf die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform des DGB einzustimmen. Anknüpfend an die innergewerkschaftliche Zukunftsdiskussion sollen die politische Programmatik, die Organisationsstrukturen und Kommunikationsformen überprüft und modernisiert werden. Denn, so heißt es in einer Erklärung des Bundesvorstandes, „die Ausgangsbedingungen für Gewerkschaftsarbeit“ haben sich durch den deutschen Einigungsprozeß, die Umwälzungen in Osteuropa und die europäische Einigung grundlegend geändert.

Dabei kann es nach Meyer bei der DGB-Reform nicht allein um schiere Größe gehen. Scheinbar starke Gewerkschaften wie die IG Metall oder die ÖTV weisen einen Organisationsgrad von knapp über 30 Prozent auf, während die winzige Gewerkschaft Leder mit einem Organisationsgrad von über 60 Prozent offensichtlich sehr viel besser verankert ist. Insgesamt fällt der gewerkschaftliche Organisationsgrad in der Bundesrepublik langsam, aber stetig auf die 30-Prozent-Marke — trotz nach wie vor steigender Mitgliederzahlen also eine relative Schwächung.

Der DGB-Vorsitzende plädiert für eine größere Berufs- und Mitgliedernähe. Am Prinzip der Einheitsgewerkschaft „ein Betrieb, eine Gewerkschaft“ soll aber festgehalten werden. Dies setzt für die geplanten Gespräche mit der berufsständisch organisierten DAG Bedingungen. Zustimmend wurde von den Gewerkschaftsbossen ein Papier der IG Metall zur Gewerkschaftsreform aufgenommen, in dem eine „Bestandsaufnahme des Verhältnisses von Mitgliedsgewerkschaften und DGB“ gefordert wurde. Auf einem Sonderkongreß 1996 soll der DGB sich ein neues und zeitgemäßes Grundsatzprogramm geben. Die organisatorische Reform soll schon auf dem ordentlichen DGB-Kongreß 1994 verabschiedet werden. Martin Kempe