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Lief die RAF an der kurzen Stasi-Leine?

■ Auch die neueste "Enthüllungsstory" kann die Mitwisserschaft des BND nicht beweisen. Die "schöne Frau", Kronzeugin wider Willen, bestreitet alles und stoppt das Buch. War Inge Viett als...

Lief die RAF an der kurzen Stasi-Leine? Auch die neueste „Enthüllungsstory“ kann die Mitwisserschaft des BND nicht beweisen. Die „schöne Frau“, Kronzeugin wider Willen, bestreitet alles und stoppt das Buch. War Inge Viett als Trojanisches Pferd der Stasi in der RAF?

VON GERD ROSENKRANZ

Muß die Geschichte der RAF in weiten Teilen neu geschrieben werden? Die beiden Journalisten Michael Müller und Andreas Kanonenberg jedenfalls sind dieser Meinung und haben schon mal angefangen: Gestern stellten Sie in Berlin ihr Buch Die RAF- Stasi-Connection vor — und erlebten prompt die erste Bauchlandung. Per einstweiliger Verfügung zog das Landgericht Berlin die Publikation des Rowohlt-Verlags (Berlin) vorläufig aus dem Verkehr.

Die Veröffentlichung verhindern möchte die Frankfurterin Monika Haas, die im Buch unter dem Decknamen „die schöne Frau“ als einzige und vor allem unfreiwillige „Kronzeugin“ für eine der zentralen Thesen des Autoren-Duos in Anspruch genommen wird. Die These lautet: Bundesdeutsche Staatsschutzbehörden und Nachrichtendienste, namentlich BKA und BND, wußten bereits Anfang der 80er Jahre von der Ost-West-Waffenbrüderschaft. Mehr noch, als die auch für die Stasi schwer zu kontrollierenden Westguerilleros den realen Ostsozialisten lästig wurden, lieferte die Stasi sie den Westfahndern gnadenlos ans Messer. Dabei habe die damals in Aden lebende geheimnisvolle „schöne Frau“ eine zentrale Rolle gespielt. Die skandal- und verkaufsträchtige These ist, zum Ärger der Autoren, nun vorerst zusammengebrochen, nachdem sich die „schöne Frau“ erstmals seit ihrer Rückkehr nach Deutschland selbst ausführlich zu Wort gemeldet hat (s. Interview).

Auf einem Berg von Papier — den Autoren standen bei ihren Recherchen die Aussagen der in der DDR untergetauchten RAF-Aussteiger und die Einlassungen einiger Stasi- Offiziere zur Verfügung — errichten sie eine Analyse, die, wenn sie zuträfe, insbesondere für die RAF noch nachträglich niederschmetternd wäre. Danach hat die Stasi die nach der gescheiterten Schleyer-Entführung und dem Tod der Stammheimer Gefangenen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe die Resttruppe in ihre weiten Arme geschlossen — und anschließend nach Belieben an- und ausgeknipst. Seit 1980 sei die RAF gar orientierungslos zwischen Geheimdiensten jeglicher Couleur hin und her getapst.

An der Nahtstelle sehen Müller/ Kanonenberg Inge Viett, die 1979 von der sich auflösenden „Bewegung 2. Juni“ zur RAF gewechselte Aktivistin der Gründerzeit. Sie war nach Meinung der Autoren von Anfang an das „Trojanische Pferd“ der Stasi bei der Westguerilla: „Sie macht ihre Aufgabe gut, aber ihre obersten Chefs heißen nicht Klar oder Mohnhaupt“ — sondern Mielke und Honecker, wollen die Autoren sagen. Inge Viett, die gegenwärtig in Koblenz vor Gericht steht, hat ihre zentrale Rolle bei der Installierung der RAF-Stasi-Connection nie bestritten. Sie datiert den Beginn der blockübergreifenden Verbindung erst auf das Jahr 1978. Im Buch wird dagegen auf einen 'Welt‘-Artikel von 1976 verwiesen, als Viett gerade zum zweiten Mal aus dem Knast in Berlin- Moabit floh. In dem Beitrag taucht der auch später bei der Stasi gebräuchliche Deckname „Maria“ auf. Ob dies aber die IM-Tätigkeit von Inge Viett schon im Jahr 1976 beweist, scheint zweifelhaft. Schließlich hat die Stasi von Anfang an „alles über die militante Westlinke“ wissen wollen, wie Müller selbst sagt. Und da war Viett als damals schon „Prominente“ sicherlich bereits ein Vorgang, vielleicht der Vorgang mit der „Vorlaufakte Maria“.

Spannend bleibt die von den Autoren untersuchte Frage nach den Festnahmen des Jahres 1982 (Mohnhaupt, Schulz, Klar), nachdem „Pilzesammler“ im Hessischen ein RAF-Erddepot entdeckten. Schickte die Stasi die Naturfreunde, die ohne Pilze, dafür aber mit 150.000 DM Belohnung — auf Nimmerwiedersehen — von dannen zogen?

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