: Se-hex statt Be-heck's
■ Marianne Rosenbergs Vermächtnis: DIE MÄDCHEN auf dem Weg zum Ruhm
Wo sie tändeln, brechen Herzen entzwei; wo sie hintreten, wächst Gras — und ihr erster Fanclub, bestehend aus den Fußballern des ESV Blauweiß (5. Herren, 7. Kreisliga), ist ihnen inzwischen vollkommen hörig: Die Mädchen, namentlich Katharina Gorecki (29) und Susanne Rau (33), haben den Weg zum Ruhm betreten. Erster Halt: Die Galerie des Westens in Walle.
Dort fingen sie an, grad vor einem Jahr, mit den drei ersten Schlagern; und sogleich fiel die Technik aus, aber das Publikum ein: „Die haben die Strophen zu Ende gegrölt!“ sagt Katharina, Mädchenname Kathi. So strahlend siegte, was zu beweisen war: die reine Wahrheit der Mädchen- Lieder über Liebe, Sex und Warrelmann (“...und er hieß Harry“). In ihnen erfüllt sich, glauben Sie mir, das Vermächtnis der frühen Marianne Rosenberg.
Die bremischen Göttinnen der Trash-Erotik: Kathi (links) und Susi (rechts)Foto: Jörg Oberheide
Was selbst sie nicht wagte, wagen die Mädchen.
„Wir nehmen die schönen Schlagerharmonien, und dann mixen wir Trash rein“, sagt Susi, „äh, Verzerrer. Oder meinetwegen Worte wie Scheiße.“ — „Oder Schwanz“, sagt Kathi, „wir schrecken ja vor nichts zurück.“ Wahrlich, schon nach ihrer ersten Maxi-CD (Weserlabel) werden sie ordnungsgemäß angehimmelt als, wie sie selber sagen (“Siehste nicht?“), die Göttinnen der deutschen Trash-Erotik (“Göttinnen sowieso, mußt du schon sein!“).
Die Merchandising-Abt., auch sie betrieben von Kathi und Susi, hält Mädchen-T-Shirts und Mädchen-Buttons in großer Stückzahl bereit; und die erste bundesweite Tournee als Vorgruppe der „Mimmies“ ließ sich gut an. „Seither sind wir“, sagt Kathi, „sowas von abgewichst. Vollprofis.“
Der kleine Casio, bürgerl. Yamaha, (“wir nennen ihn nur so“) besorgt spottbillig die Rhythmen; zwei weitere Keyboards, eine Gitarre, ein Wohnzimmer: daraus macht die wundertätige Mädchenfreundschaft zwischen Kathi, der Studentin, und Susi, der Klavierlehrerin, die Schlager der Stunde. Gesang beherzt und laut, darunter
hierhin bitte das Foto,
wo sich Häuser vor
Frauengesichtern
spiegeln
Farfisa-Orgelton, meist sakral geschwollen; Freejazzsax-Fetzen zwischendrein — und gleich weiter ins Idyll, wo der Synthi zwitschert statt dem Kanari. Die bedrohlichste Versuchung, sagen wir mal, seit es roten Knautschlack gibt.
Zu den Idolen der Mädchen zählen Hildegard Knef und Helge Schneider, der singende Lachsack. Ihre musikalische Herkunft ist ebenso ungewiß: „Schreib: ich komme vom Blues“, sagt Kathi, „mein Vater war Sklave in der Bibliothek von Massa.“ Dagegen sprechen die Lieder der Mädchen ausschließlich vom unverdünnten Leben: „Ich trinke Wodka, Whisky und Be-heck's, und ich denke nur an Se-hex!“ (Aus dem Song: „Aber du bist doof“).
Zwei blitzsaubere Madln, denen es gefällt, verlotterte Schlagerstoffe zu Trash-Klamotten aufzupulvern: da hat man nicht nur das Vergnügen, zu sehen, wie's gemacht ist. Die Mädchen, wie der Name sagt, lieben alles, sofern es nur unausgegoren ist; sie selber sind die lokalen Wahrzeichen eines neuen Kinder-Glamours, der die Pop-Welt auch anderswo ganz närrisch macht mit seinem Geschiller: immer darf man befürchten und nie weiß man, was alles noch rauskommen
könnte am Ende.
Jetzt, wo die Mädchen schon die meisten drängenden Probleme zwischen Bett und Tengelmann besungen haben, bemächtigen sie sich vielleicht künsterlisch endlich der geliebten Mofarocker sowie der Überraschungseier und sonst freierer Stoffe. Außerdem fand sich nun tatsächlich die Gelegenheit, die treuesten der Fans zu würdigen: Die Mädchen haben soeben die offizielle Hymne (“sehr schreitend“) der 5. Herren des Eisenbahnersportvereins (ESV) Blauweiß auf einer Single eingespielt. Vorausgegangen war ein gemeinsamer inspirativer Ausflug nach Ibiza, wo allerdings alle hart am Liede arbeiten mußten, mit Ausnahme des Liberos, den ein Bandscheibenvorfall fällte.
Und nun? Erstmal Tournee, evtl. mit der ostfriesischen Band Das neue Brot. Hinterher, nun ja, reich werden, „einen netten Mann finden“ (Kathi), „gesund bleiben“ (Susi); und spätestens am Lebensfeierabend wollen die beiden wieder zusammengehen: in einem geeigneten Altersheim. „Aber nur, wo es viele Zivis gibt.“ Manfred Dworschak
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