■ AUS POLNISCHER SICHT
: pFUi!

Die Freie Universität Berlin ist eine Lehranstalt, deren Herr Vizepräsident neulich den gedankenschwangeren Satz formulierte, daß nach dem Ende der Sowjetunion die Daseinsberechtigung des Osteuropa- Institutes entfalle. Eine wahrlich Kopernikanische Figur: osteuropäische Geschichte wird an der Humboldt- Universität seit 1912, osteuropäische Kunstgeschichte seit 1919, Slavistik noch viel länger gelehrt. Man kann es auch so sagen: Die Sowjetunion entstand 1922, und die Gründe, warum die Freie Universität existiert, entfallen nach der deutschen Vereinigung sowieso. Liebe FUler: nichts wie heim ins Reich der Stasitheologen, die schneiden sich wenigstens nicht ins eigene Fleisch!

Es sieht überhaupt so aus, als wäre der Frieden viel teurer als der Kalte Krieg und die Wettrüstung. Alle sind Pleite. Die Russen (nach dem Ende des Weges zum Sozialismus), die Kubaner (ohne Sowjetunion), die Amerikaner (ohne Sozialismus), die Finnen (ohne den sowjetischen Sozialismus), die Schweden (nach dem Sozialismus), die Polen (nach wie vor), die vereinigten Deutschen (nach dem Realsozialismus), die Nordkoreaner (im Kommunismus), die Südkoreaner (im Kampf um mehr Sozialismus)...

Nur die Japaner nicht, sie kommen aber nach Berlin, wenn sie osteuropäische Problematik studieren wollen: Dadurch sparen sie erheblich an Professorenstellen und wissen letztendlich das, was für ihre Geschäfte wichtig ist. Wer tüchtig ist, kümmert sich ohnehin um das Wissen über Osteuropa: eine studentische Gruppe Namens TEG (The Enterpreunerial Group) lädt Experten — beileibe nicht nur Wirtschaftswissenschaftler — zu Vorträgen über die Mentalität und Kultur Osteuropas ein, um in Zukunft bewußter und effektiver in dieser Region arbeiten zu können.

Im Osteuropainstitut selbst arbeitet seit einigen Monaten das Graduiertenkolleg, das sich mit der Problematik des Überganges vom Realsozialismus zum Ungewissen in Osteuropa beschäftigt. Nicht nur einige Doktoranden und Habilitanden, auch ein halbes Duzend Professoren (in Böen sogar eine zweistellige Zahl) schneidet sich freiwillig ein gutes Stück eines jeden Wochenendes ab (das Seminar endet tief in der Nacht vom Freitag auf Samstag), um ein wenig, mal mit Hilfe ausländischer Kollegen, mal kraft eigener Synergie (verschiedene Sichtweisen und Gesichtspunkte schaffen oft schon durch Elimination und gegenseitige Kritik fruchtbarere Fragestellungen und lassen Beschränkungen des eigenen Standpunktes einsehen) Klarheit über die wichtigsten Prozesse der zweiten Hälfte unseres Jahrhunderts zu gewinnen. Alles Betrug! Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat den gebeutelten Steuerzahler reingelegt und für eine Forschung Geld bereitgestellt, die von einem Genie umsonst (noch mit zusätzlichen Spareffekten) bewältigt wurde. Und der hat es nur zum Vizepräsidenten der Universität gebracht?! Piotr Olszowka