Angriff der Mutanten abgewehrt

Der Schwede Stefan Edberg hatte im Halbfinale der Australian Open nur im ersten Satz Mühe mit seinem Gegner Wayne Ferreira aus Südafrika/ Jim Courier erreichte kampflos das Endspiel  ■ Aus Melbourne Mario Vigl

Der Angriff der Mutanten wurde gerade nochmal abgewehrt: Im Halbfinale der Australian Open konnten Stefan Edberg und Jim Courier gegen ihre in Melbourne aus dem Nirgendwo aufgetauchten Gegner ziemlich mühelos ins Endspiel vordringen. Stich-Eliminator und Aufschlag-Tier Richard Krajicek (Holland) war überhaupt nicht und der kraftstrotzende Wayne Ferreira aus Südafrika nur kurz anwesend. Beide hatten bisher als Vorboten einer neuen Generation von großen, brutalst auf die Bälle dreschenden Riesenbabies Angst und Schrecken unter den etablierten Profis verbreitet.

Krajicek ließ Courier wegen schmerzender Schultern kampflos den Vortritt, die „bisher schwerste Entscheidung meines Lebens“, teilte er traurigen Blicks den Journalisten mit. Der sommersprossige Wayne Ferreira war gegen Edberg nur einen knappen Satz lang präsent, dann löste er sich quasi in nichts auf. Bis zu seiner 6:5-Führung und zwei Satzbällen gegen den aufschlagenden Schweden hatte Wayne da weitergemacht, wo er gegen McEnroe aufgehört hatte: mit gnadenlos schnellen Grundschlägen, lasergleichen Aufschlägen und plazierten Flugbällen. Doch Edberg wehrte die Breakchancen mit einem As und einem Rückhandvolley ab und gewann den folgenden Tie-Break mit 7:2.

Da war es um den Bub geschehen. Irgendetwas hielt Käppi, Tennis- Klamotten und Schläger zwar noch zusammen — Ferreira aber war es nicht. Stefan Edberg sicherte sich die nächsten beiden Sätze gegen die verbliebene Ausrüstung des Südafrikaners locker-flockig mit 6:1 und 6:2. Nach dem Sieg konnte er sich freuen, selbst nach einer Niederlage gegen US-Bolzer Courier am Sonntag die Nummer Eins der Welt zu bleiben. Hobby-Trommler Jim philosophierte währenddessen darüber, ob die durch das ausgefallene Match fehlende Praxis nun ein großer Nachteil gegenüber Edberg sei. Schließlich verkündete Denker Courier nach hartem Überlegen, daß er „heute halt eine halbe Stunde länger trainieren“ werde.

Zweiter geistiger Tiefschlag: Durch den kampflosen Rückzug Krajiceks vom Halbfinale wurde die Welt der Wissenschaft einer einmaligen Chance beraubt — die mysterische Kraft der „Haptotherapie“ eingehend zu studieren. Nach seinem Sieg gegen Michael Stich hatte der Holländer seine Geheimwaffe enthüllt: eine von einem Landsmann erfundene und von seinem persönlichen Haptotherapeuten Ted Troost praktizierte Entspannungsmethode, die „den Rücken und dann den Geist befreit“. Die Methode, mit der Troost auch schon die Fußballstars Ruud Gullit und Marco van Basten zum erfolgreichen Torschuß prädestiniert hatte, beruhe auf Berührung und Reflex, klärte Hapto-Richard die verblüfften Schreiberlinge auf. Krajicek läßt sich vor jedem Spiel so lange den Rücken von Troost befummeln, bis „ich ganz entspannt bin“. Hätte der so befreite Holländer den Stiernacken Courier, der nur einen profanen Masseur beschäftigt, vom Platz geblasen? Fragen über Fragen.

Wenigstens ist die westliche Welt durch die Schulterprobleme Krajiceks erst mal vom pilzartigen Verbreiten Tausender Hapto-Institute verschont. Doch wenn der Junge Wimbledon gewinnt — dann ist das Rückenfummeln wohl nicht mehr aufzuhalten.

Halbfinale: Stefan Edberg (Schweden) - Wayne Ferreira (Südafrika) 7:6 (7:2), 6:1, 6:2; Jim Courier (USA) - Richard Krajicek (Niederlande) kampflos