Der richtige Mann an der richtigen Stelle

■ Ditmar Staffelt, SPD-Fraktionschef, verhandelt, vermittelt — und überläßt es anderen, ihn als Spitzenkandidaten zu empfehlen/ Der Gewinner nach einem Jahr großer Koalition schließt Neuauflage von Rot-Grün nicht aus

Berlin. Er gibt es ungern offen zu. Aber zweifellos ist Ditmar Staffelt nach einem Jahr großer Koalition derjenige, der von dieser Konstellation am meisten profitiert. Im Gegensatz zu Walter Momper und Eberhard Diepgen ist der 42jährige SPD- Fraktionschef noch unverbraucht, anders als der bei Umfragen unpopuläre CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky kann sich Staffelt ernsthafte Hoffnungen machen, bei den nächsten Wahlen als Spitzenkandidat seiner Partei anzutreten. »Momper handelt sich selbst«, sagen Freunde des Fraktionschefs, »Staffelt wird gehandelt.«

In Konflikten zu vermitteln und tragfähige Kompromisse auszuhandeln — das ist sein hervorstechendes Talent, und das entspricht auch seinem Naturell. In dieser Koalition, die nach Landowskys Worten von »Heinrich Lummer bis zum fröhlichen Altmarxisten Harry Ristock« reicht, ist er der richtige Mann an der richtigen Stelle.

»Der moderiert alles«, so böse kommentiert die grüne Fraktionschefin Renate Künast den stetig wachsenden Einfluß ihres SPD-Kollegen. Schon unter Rot-Grün war es Staffelt, der das ächzende und krachende Bündnis in zähen Verhandlungen mit der AL immer wieder zusammenlötete, »oft bis an die Grenzen der körperlichen und seelischen Erschöpfung«, wie er selber später gestand. Während Momper damals kaum noch Rücksicht auf den kleinen Koalitionspartner nahm, bemühte sich Staffelt um Kompromisse. Schon Monate vor dem Ende von Rot-Grün knüpfte er gleichzeitig erste Bande zur CDU.

Everybody's darling? Die Rivalität mit Momper ist geblieben, aber richtige Feinde hat Staffelt nicht. Die Fraktion bestätigte ihn im letzten Januar mit einem Traumergebnis in seinem Amt. Nur einer von 76 Abgeordneten stimmte gegen ihn, 73 gaben ihm ihr Vertrauen. Bevor eine Entscheidung falle, komme in der Fraktion jeder mit seiner Meinung zu Wort, erklärt Staffelt. Das schaffe die »Disziplin«, die angesichts der breiten Mehrheit der Koalition »leicht flötenzugehen droht«. Eine einmal gefundene Linie werde von ihm in den Verhandlungen mit der CDU nicht leichtfertig geopfert, loben ihn seine Fraktionskollegen. »Glashart« sei er da, rühmt sich Staffelt. Doch stets findet er auch einen Weg zum Kompromiß.

Er verhandelt erfolgreich, er vermittelt zwischen den Positionen. Aber wofür steht Ditmar Staffelt, was ist sein Profil? Er hat sich die Öffnung zur Wirtschaft auf die Fahnen geschrieben, läßt sich von einem »kleinen Gesprächskreis« beraten, in dem auch SPD-nahe Unternehmer sitzen. Jetzt will er außerdem »einen außenpolitischen Gesprächskreis machen«. Aber auch in der Verkehrspolitik hat er schon seit geraumer Zeit fachkundige Berater. Auch hier brauchen seine Partei und die Stadt einen »Modernisierungsschub«, glaubt Staffelt. So vereint er die Hoffnungen einiger ökologisch orientierter Linker auf sich, aber mindestens ebenso die der eher rechtsorientierten Sozialdemokraten, die in Staffelt den Mann sehen, der auch die klassischen SPD-Wähler an sich binden kann.

»Obwohl eingebunden in die Linke, habe ich mir ein Stück Unabhängigkeit bewahrt«, sagt der Fraktionschef. Als »Modernisierer«, als Pragmatiker ist er nun der Mann der Stunde — auch in einer Fraktion, in der die eher unideologisch gestimmten Ostberliner fast die Hälfte der Mitglieder stellen. Ein orthodoxer Linker war er nie. Schon 1968 demonstrierte er sowohl für Rudi Dutschke wie gegen den Einmarsch in Prag. 1969 in die SPD eingetreten, hat er die klassische Ochsentour absolviert. Die Partei war auch das Thema der Promotion, die der Historiker 1986 ablegte. Heute opfert er der Politik fast alles, arbeitet 15 bis 16 Stunden am Tag. Staffelts Antrieb, sagen Mitarbeiter, sei das Gefühl, es oft besser machen zu können als andere. Das zeigt er selten offen. Er überläßt es seinen Parteifreunden und Mitarbeitern, einen Spitzenkandidaten Staffelt zu empfehlen. Er selbst bleibt bescheiden: »Ich bin nicht so ein Drängeltyp.«

Wäre mit ihm eine Neuauflage der rot-grünen Koalition zu machen oder ein Ampelbündnis? »Ich schließe überhaupt nichts aus«, sagt er. Vor einer neuen Regierungsbeteiligung, schränkt er ein, müßten AL und Bündnis 90 erst noch »einen inhaltlichen Prozeß durchleben«. Die Grünen in Hessen und Niedersachsen seien da schon weiter, wie die geräuschlose Arbeit der dortigen rot- grünen Koalitionen beweise. Freilich seien dort auch »sensible« SPD- Regierungschefs im Amt, ergänzt Staffelt. In Berlin war dies mit Momper nicht der Fall — das muß der Zuhörer selbst ergänzen.

Sein CDU-Partner Landowsky, geborener Neuköllner wie Staffelt, lobt ihn als »fair, kollegial und undogmatisch, aber insgesamt mit allen Wassern gewaschen«. Staffelt schätzt an Landowsky die Offenheit und die Verbindlichkeit von Absprachen. Ein »freundschaftliches Verhältnis«, wie es sich zu einigen grünen Protagonisten entwickelt hatte, das hat er mit dem CDU-Mann angeblich nicht. »Ich will nicht sagen«, erinnert sich Staffelt an Rot-Grün, »daß ich damals nicht einen gewissen Spaß gehabt habe.« Aber Spaß ist für den disziplinierten Staffelt natürlich nicht alles. Hans-Martin Tillack