Politische Hochzeit mit Hindernissen

■ AL und Bündnis 90 verabschiedeten gemeinsames Wahlprogramm für die Bezirkswahlen Differenzen über den weiteren Weg des Zusammengehens vor allem bei den Quoten für Frauen

Berlin. Die Alternative Liste West- Berlins und das Bündnis 90 Ost-Berlins werden zusammen in den Bezirkswahlkampf ziehen. Am Samstag verabschiedeten die Landesdelegiertenkonferenz der AL und der Landessprecherrat des Bündnis 90 auf ihrer ersten gemeinsamen Sitzung ein Wahlprogramm. Zugleich wurde über einen Fahrplan für die Vereinigung der beiden Parteien beraten. Der Charakter der zukünftigen Organisation ist zwischen den beiden Gruppierungen strittig.

Wolfgang Templin vom Bundessprecherrat des Bündnis 90 sah zwar eine Mehrheit in seiner Partei für eine Perspektive mit den Grünen, doch er forderte eine neue »ökologische, demokratische und bürgerrechtliche Kraft«, die quer zum alten Parteienverständnis liege. Der AL warf Templin vor, »noch immer als linke Kraft auf die SPD fixiert« zu sein. Jochen Esser vom Geschäftsführenden Ausschuß der AL wandte sich gegen Templins »Anti-Partei- Attitüde«. Die AL sei zudem keine Partei, die sich im Sinn von sozialistisch als links verstehe. Scharf kritisierte Esser Templins Forderung, erst auf Bundesebene eine Verständigung herbeizuführen, bevor es in Berlin zu einem Zusammengehen kommen könne. »Wenn wir auf Berliner Ebene können«, so der ALer, »tun wir uns in Berlin mit dem Bündnis 90 zusammen«.

Für dieses Zusammengehen hatte die AL am Samstag ein Vorschlagspapier unterbreitet. Danach soll zunächst die Doppelmitgliedschaft in beiden Parteien zugelassen werden. In organisatorischen Fragen erhalten die Bezirke eine weitestgehende Autonomie. Dadurch erhalten AL und Bündnis 90 die Möglichkeit, jeweils in ihrem Bereich ihre eigenen politischen Prinzipien zu wahren. So könnte die AL die Trennung von Amt und Mandat und die Rotation in ihren Bezirken festschreiben. Dieses Modell soll analog auch auf Bundesebene praktiziert werden.

Strittig ist jedoch die Quotierung. Das Bündnis 90 hat in seiner Satzung keinen Frauenanteil in den Parteigremien festgelegt. Aber die AL ist laut Esser »nicht bereit hinzunehmen«, daß die gemeinsamen Gremien nicht paritätisch besetzt sind.

Die Frauenpolitik war auch am Samstag einer der wenigen Streitpunkte des gemeinsamen Wahlprogrammes. So wurde auf Wunsch des Bündnis 90 das entsprechende Kapitel des Programms zusätzlich mit dem Titel »Gleichstellungspolitik« versehen. Die ehemalige Abgeordnete der AL, Lydia Hohenberger, sah darin jedoch einen »durch und durch sozialdemokratischen Begriff«, gegen den sich die Grünen immer gewehrt hätten. Sie würde »die Welt nicht mehr verstehen«, wenn man hinter diese Position zurückfalle. Trotzdem wurde das Wahlprogramm von beiden Gruppierungen mit großer Mehrheit angenommen.

Das Bündnis 90 wird in den kommenden Wochen über das Vorschlagspapier der AL beraten. Dieses sei, so Uwe Lehmann vom Bundessprecherrat, »eine Gesprächsgrundlage, auf der man aufbauen kann«. Allerdings sei für seine Gruppierung 1992 ein Jahr der Selbstkonstituierung. Erst Anfang 1993 könne man dann konkrete Schritte zur Vereinigung einleiten. dr