Mielkes Mann bei der taz enttarnt

■ Das ehemalige Mitglied der "Bewegung 2.Juni" und der spätere taz-Redakteur Till Meyer (47) hat nach eigenen Angaben als Journalist in der Berliner Zentrale der taz dem DDR-Staatssicherheitsdienst...

Mielkes Mann bei der taz enttarnt Das ehemalige Mitglied der „Bewegung 2.Juni“ und der spätere taz-Redakteur Till Meyer (47) hat nach eigenen Angaben als Journalist in der Berliner Zentrale der taz dem DDR-Staatssicherheitsdienst zugearbeitet.

Der V-Mann war immer zentral plaziert.“ Unter dieser Überschrift enthüllte die taz am 2. Januar 1989 Details über die Verwicklungen des skandalgeschüttelten Berliner Verfassungsschutzamtes in das Verfahren um die Ermordung des Studenten Ulrich Schmücker. Autor war Till Meyer, ehemaliges Mitglied der „Bewegung 2.Juni“, Ende 1986 aus der Haft vorzeitig entlassen und über das Arbeitsamt anschließend als Volontär bei dieser Zeitung angestellt. Den Kollegen galt er als exzellenter Kenner der verschiedensten militanten Gruppierungen, des Geheimdienstmilieus und als ausgezeichneter Rechercheur.

Recherchen lieferte er indessen nicht nur der tageszeitung — unter dem selbstgewählten Decknamen „Willi Waldoff“ gab Meyer dem Staatssicherheitsdienst der früheren DDR preis, was er sonst noch zwischen Ende 1987 und Oktober 1989— der Zeit, in der er für die taz schrieb— in den Redaktionsräumen in der Wattstraße aufschnappen konnte. Das Wissen um die Tätigkeit Meyers als Inoffizieller Mitarbeiter stammt von ihm selber: Er offenbarte sich jetzt vor den Kameras von Spiegel-TV.

Seit dem Frühsommer 1987, so der 47jährige heute, habe er versucht, „die westdeutschen Linken in ihren vielfältigen Facetten entsprechend einzuschätzen“. Die Fragestellung sei gewesen: „Sind sie möglicherweise gegen die DDR?“ Der Journalist mit dem Schwerpunkt „Innere Sicherheit“ nutzte nach eigenem Bekunden die taz „als Schnittstelle für alle möglichen linken Diskussionen aus der gesamten BRD“, um den Mannen von Stasi-Minister Erich Mielke Einblicke in „Strömungen, Ansichten, Meinungen und Vorstellungen bestimmter linker Kräfte“ zu vermitteln.

Geld will der Stasi-Informant „Waldoff“, mit einer Ausnahme, nicht erhalten haben. Er habe aus politischer Überzeugung gehandelt— eine Prämie hätte er lediglich zum 40.Jahrestag der DDR bekommen. Wenige Wochen vor dem endgültigen Zusammenbruch des Honecker- Staates, den Meyer als Wahlkampfbeoachter aus dem fernen Chile verfolgte, honorierte die Stasi die Verdienste ihres Mitarbeiters als „Kundschafter an der unsichtbaren Front gegen Imperialismus und Kapitalismus“ mit einer Zuwendung von 1.000 DM West.

Das besondere Interesse Meyers galt Recherchen zu den Skandalen des Berliner Verfassungsschutzes. Als Glanzstück enttarnte er im Dezember 1988, nur wenige Tage vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus, zusammen mit einem Kollegen die Überwachung des SPD-Politikers und Geheimdienstkontrolleurs Erich Pätzold durch den Verfassungsschutz. Im Dienste der Stasi verfolgte Meyer allerdings auch die internen Debatten um den Umgang mit den Inhaftierten der Rote Armee Fraktion (RAF). „Die Ohren auf wie eine Fledermaus“ habe er Gerüchte und Mutmaßungen um den Verbleib der steckbrieflich gesuchten RAF- Mitglieder wie Susanne Albrecht oder Inge Viett aufgesaugt — den Ausstieg ehemaliger RAF-Leute in den realsozialistischen DDR-Alltag will er 1988 (gut eineinhalb Jahre vor den ersten Berichten darüber) bereits „geahnt“ haben; in Artikeln und Gesprächen verbreitete er die Falschinformation, die Gesuchten könnten in Damaskus oder einem anderen Ort im Nahen Osten untergetaucht sein. Dem Interesse, den Aufenthaltsort beipielsweise Inge Vietts bewußt zu verschleiern, könnte ein naheliegendes Motiv zugrunde liegen. Meyer, wegen der Entführung des CDU-Politikers Peter Lorenz und wegen Rädelsführerschaft in einer kriminellen Vereinigung 1980 vom Berliner Kammergericht zu einer 15jährigen Freiheitsstrafe verurteilt, wurde 1980 bei einer spektakulären Aktion aus dem Gefängnis in Berlin-Moabit befreit. Inge Viett, nach eigenen Angaben selbst seit 1978 in Kontakt mit der Stasi, organisierte den Coup. Vier Wochen später erfolgte in Bulgarien allerdings die erneute Festnahme.

Geführt wurde Till Meyer alias „Willi Waldoff“ bei der Hauptabteilung XXII — dem Teil der Staatssicherheit, der sowohl für die „Einbürgerung“ von ausgestiegenen RAF- Leuten in die DDR als auch die militärische Ausbildung noch aktiver Guerilla-Mitglieder verantwortlich war. Till Meyers Führungsoffizier Helmut Voigt gilt als eine der schillerndsten Figuren im Geflecht um die weltweite Stasi-Unterstützung für terroristische Gruppierungen. Als im März 1990 die Fahnder des Bundeskriminalamtes wegen der RAF- Stasi-Verbindung fünf hochrangige Stasi-Offiziere verhafteten, ging ihnen Voigt durch die Lappen. Die Spur des 1942 geborenen Majors, der im Mai 1982 auch einem Mitglied der international gesuchten Carlos- Gruppe mit 24 Kilogramm Sprengstoff im Gepäck die DDR-Grenze zu passieren verhalf, verlor sich mit dessem verlassenen Wagen unter dem Funkturm auf dem Ostberliner Alexanderplatz.

Till Meyer ist aufgeflogen, weil im 'Spiegel‘ das Gerücht entstand, er habe der Stasi zugearbeitet. Er wurde daraufhin von seinem derzeitigen Arbeitgeber Stefan Aust, Leiter des Spiegel-TV, zur Rede gestellt. Seit einem Jahr arbeitete Till Meyer als freier Journalist, im vergangenen Sommer vorwiegend für Spiegel-TV. Während Stefan Aust, Chef des Hamburger Fernsehmagazins, betont, daß Meyer nur als „Informant und Berater im Themenbereich Terrorismus und Innere Sicherheit“ beschäftigt wurde, stellte sich Meyer selbst gegenüber dem taz-Justitiar Johannes Eisenberg als Mitarbeiter von Spiegel-TV vor.

Der einstige MfS-Agent versuchte Eisenberg auch auf eine falsche Fährte zu bringen. Er habe Dokumente gesehen, berichtete er dem taz-Anwalt vertraulich, aus welchen hervorginge, daß ein wichtiger Mann aus dem engen Umfeld der taz für die Stasi gearbeitet habe. Wolfgang Gast/

Michael Sontheimer