Jazz, aber anders

■ Im Kito: Posaunist Ray Anderson (N.Y.) & Gitarrist Christy Doran (Schweiz)

Posaunist

Ray Anderson

Einzeln sind sie Weltklasse. Aber zu den idealen Duo-Formationen gehören Anderson-Doran nicht. In seltenen Glücksfällen gehen die Musiker mit fast telepathischen Fähigkeiten so aufeinander ein, harmonieren so, daß ihre Talente sich zusammen nicht nur summieren, sondern potenzieren. Der New Yorker Weltklasse- Posaunist Ray Anderson und der Schweizer Gitarrist Christy Doran sind durchaus verwandte Seelen, aber oft konnten sie am Sonntag abend im Kito dann doch nicht so recht zusammenkommen.

So ist es bezeichnend, daß die beiden langen Soli zu den Höhepunkten des Abends zählten, und auch sonst hatte man manchmal den Eindruck, jeder spiele für sich. Beide sind natürlich so gewandte und sensible Musiker, daß es nie zu offensichtlichen Mißtönen kam, aber der Kick, den man bekommt, wenn zwei wirklich zusammenspielen, fehlte.

Stattdessen hatte man ausgiebig Gelegenheit, die virtuosen Spieltechniken und das immense stilistische Spektrum der beiden zu bewundern. Von Rockjazz über freie Passagen und den Blues bis zu burlesken Arrangements reichte die Bandbreite.

Anderson blies minutenlang Tonkaskaden, ohne zum Luftholen abzusetzen, und diese bisher nur auf Holzblasinstrumenten für möglich gehaltene Zirkulationsatmung beherrschte er sogar auf der riesigen Tuba. Er konnte auch bei einer Ballade in sein Instrument hauchen, tiefe Töne hineinblubbern oder spitze Schreie ausstoßen. Auf der Tuba lieferte er die Bassbegleitung für Doran, aber auch hier schuf er ganz überraschende Soundeffekte; einmal ahmte er etwa den Ton des australischen Blasrohres nach.

Christy Doran hatte es schwer, sich gegen soviel überbordende Spielfreude durchzusetzten. So hielt er sich eher im Hintergrund, obwohl seine vielseitige Technik mit den originellen Sounds auf dem Gitarrensynthisizer oder den elektronischen Effekten, die es ihm ermöglichten, mehrstimmig zu spielen und so immer dichtere werdende Tongebilde zu entwickeln, Andersons Virtuosität ebenbürtig war.

Für beide ist diese Duo-Tour wohl eher eine interessante Abwechslung und ein Experiment - zumindest Anderson klang nicht viel anders als in seiner festen Gruppe. Eine von Dorans Kompositionen hieß ja auch:“The same — but different.“

Willy Taub