»Ewig ist nur Geographie«

■ Der jugoslawische Bürgerkrieg und die Rolle Deutschlands

Gleich zu Beginn der Veranstaltung in der Technischen Universität wird deutlich, daß niemand der Redner auf dem Podium die diplomatische Anerkennung Kroatiens und Sloweniens durch die Bundesrepublik Deutschland begrüßt.

Horst Grabert, deutscher Botschafter in Jugoslawien von 1979-1984, weist darauf hin, daß bereits seit Anfang der achtziger Jahre in Jugoslawien die einzelnen Regionen kleinstaatliche Politik mit nationalistischen Zügen betrieben hätten.

»Es gab nicht nur Konflikte zwischen Serben und Kroaten«, stimmt der jugoslawische Soziologe Zlatomir Popovic zu, »sondern auch zwischen Serben und Muslimen, zwischen Albanern und Serben. Sie wurden aber in der Tito-Ära unter den Teppich gekehrt. Man sprach abstrakt von Brüderlichkeit und Einheit.«

Dieses Pulverfaß sei nun explodiert, und Deutschland habe durch sein Vorpreschen in der Frage der Anerkennung Kroatiens und Sloweniens als unabhängige Staaten den Konflikt verschärft.

Doch warum manövrierte sich die bundesdeutsche Regierung ohne Not in die außenpolitische Situation, von »verbündeten Regierungen nicht nur Unfreundlichkeiten, sondern auch Wut und Haß« hinnehmen zu müssen (Georg Reißmüller in der 'FAZ‘)?

»Es geht um die angestrebte Führungsposition nach dem Motto: wir haben unser Gewicht voll einzubringen, und zwar in dem, was wir unsere Interessen nennen«, unterstellt Grabert der bundesdeutschen Diplomatie.

Und diese Interessen seien nicht »ein paar verkaufte Maschinen« oder gar ein Viertes Reich bis zur Adria, diese Behauptungen nennt der Ex- Diplomat »propagandistisch«.

Vielmehr suche Deutschland nach der Wiedervereinigung seine neue Position, und dazu gehöre eben das »provokative Vorpreschen« in Jugoslawien gegen alle europäischen Interessen.

»Was die Interessen der deutschen Politik in Jugoslawien sind, wüßte ich auch gerne«, gesteht Wolf Oschlies vom Kölner Institut für »Ostwissenschaftliche und internationale Studien«. »In unserem Interesse sollte es sein, daß ein Land wie Jugoslawien mit seinen 24 Völkern ein stabiles, prosperierendes, konfliktfreies Land ist.«

Statt dessen tobe in dem Balkanland ein schrecklicher Krieg, der das Land in den ökonomischen Ruin treibe; Oschlies berechnet die bisherigen Kriegskosten auf mindestens 100 Milliarden US-Dollar.

Politisch drohe »ein Geflecht von Kleinstaaten, untereinander hermetisch abgeriegelt, aufgesplittert durch neue Währungen und neue Zollgrenzen«.

Die Bundesregierung, die diese Entwicklung fördere, habe »alte Ängste und Reminiszenzen schlechtester Art wiederbelebt«.

Die europäischen Staaten seien Deutschland gefolgt, »um den Deutschen da nicht den ganzen Raum zu überlassen... Die deutsche Politik ist gefühllos, unhistorisch, schädlich für die deutschen Interessen... Jugoslawien wird, wenn diese Entwicklung weitergeht, zerfallen in 17 lebensunfähige Kleinstaaten.«

Zlatomir Popovic gesteht den Deutschen durchaus zu, im Rahmen gesamteuropäischer Interessen in Jugoslawien Einfluß zu nehmen. Das Hauptinteresse aber müsse doch dabei sein, die demokratischen Stimmen in Jugoslawien zu fördern. Und die würden vor allem in Kroatien durch eine massive Propaganda der Regierung übertönt.

Wolf Oschlies fügt hinzu, daß in Serbien die Berichterstattung frei sei, während in Kroatien eine Zensur stattfände.

Einige ZuhörerInnen in dem Hörsaal der Technischen Universität widersprechen lautstark den drei Referenten. Jugoslawien sei niemals ein stabiler Staat gewesen, die Autonomiebestrebungen seien natürlich, vergleichbar denen in der Sowjetunion. Deutschland habe recht daran getan, dort Flagge zu zeigen, wo eine ethnische Gruppe nach Unabhängigkeit strebe.

Ein junger Mann versteigt sich dann zu der Behauptung, daß Deutschland und Österreich »die Lage im Balkan am besten verstehen, weil sie eine gemeinsame Grenze haben. Also die Briten wissen vielleicht, was so in Indien läuft, aber die wissen ganz bestimmt nicht, was im Balkan läuft.«

»Freiheit für Bayern!« wird ihm entgegengerufen.

Warum eigentlich nicht? Werner