Sommerkultur gefährdet

■ Mariannenplatz-Festival ist dieses Jahr gefährdet/ Sondernutzung der öffentlichen Grünfläche ist zunächst nur für zwei Tagen bewilligt worden

Kreuzberg. Große Platz- und Straßenfeste gehören in Kreuzberg eigentlich zur ganz normalen Sommerkultur. Das Mariannenplatz-Festival, das alljährlich zu Pfingsten vor dem Künstlerhaus Bethanien stattfindet, hat den üblichen Umsonst- und-draußen-Rahmen allerdings gesprengt. Stellten 1987 vor allem Berliner Musiker und Künstler an vier Tagen ihr Programm vor, hatte sich ein Jahr später die Veranstaltungsreihe auf zehn Tage ausgedehnt. Danach war erst einmal Pause — zu sehr hatte der veranstaltende Verein, der damalige Cultur Reflex e.V, die Anwohner strapaziert. Mit der Auflage, sonntags keine Rockbands spielen zu lassen, wurde die Genehmigung 1990 dann wieder erteilt.

Die Organisatoren änderten darauf ihr Konzept. Während sie sich in der Zwischenzeit mit mißlungenen Versuchen, ortsansässigen Bands Tourneen zu vermitteln, ihren Ruf lädiert hatten, brachte das Buchen von internationalen Gruppen dann erneut Erfolg: In den beiden darauffolgenden Sommern kamen mehr Besucher denn je, um jeweils drei Tage lang am »Mariannenplatz Festival of World Music« teilzunehmen. Beim letzten Mal traten unter anderem Stella Rambisai Shiwese (Simbabwe) und Mezcla (Kuba) auf, und sonntags wurde ein klassisch-spirituell gemischtes Programm geboten.

In diesem Jahr nun scheint das Fest gefährdet zu sein. Die Sondernutzung der öffentlichen Grünfläche, im Alltag sowohl normaler Kiez- wie mittlerweile auch Drogentreffpunkt, wurde von den zuständigen Stellen des Bezirksamtes Kreuzberg zunächst nur für zwei Tage von 15 bis 20 Uhr — statt wie 1990 bis 21 Uhr — bewilligt, nach einem zweiten Antrag von Cultur Reflex im November schließlich für Freitag bis Sonntag zur gleichen Zeit. Allerdings unter der Bedingung, am heiligen Tag keine Verstärkeranlage zu verwenden.

Für Alwin Mindl und Beate Brunnenkant vom — mittlerweile aufgelösten — Verein sind die Auflagen unannehmbar. Sie fürchten, daß unter diesen Bedingungen die fliegenden Händler, Bier- und Essensverkäufer ausbleiben, die für die nötige Open-air-Atmosphäre und vor allem für die Finanzierung des auf Gewinn verzichtenden Festes sorgen. Ihr Fehlen würde die Veranstaltung, so sie überhaupt Sinn macht, auf den Standard eines simplen Kiezgroßfestes zurückwerfen. Denn bei einer derart unsicheren Finanzlage sieht sich Cultur Reflex außerstande, ausländische Ensembles zu engagieren.

Den Ausschlag für die Entscheidung des Bezirksamtes vom 7. Januar, Abteilung Bau- und Wohnungswesen, Naturschutz- und Grünflächenamt, gab die Empfehlung der Vergabekommission, in der Ende November Vertreter der Anwohner, des Künstlerhauses und des Gesundheits- und Kunstamtes Kreuzberg zusammenkamen. Hier kamen die Angst der Nachbarschaft, Kreuzberger Feste könnten in Randale enden, zur Sprache und die Beschwerden aus dem Altersheim. Das bekommt, im Nordosten des Mariannenplatzes gelegen, noch genau die Bässe ab, die die schräg gestellte Bühne auf die Freifläche des ehemaligen Grenzstreifens schickt.

Gegen den Bescheid des Bezirksamtes haben Brunnenkant und Mindl eine Woche später Widerspruch eingereicht. Seit Freitag nun liegen die Unterlagen in der nächsthöheren Instanz, beim Senat für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Der wird wohl noch in dieser Woche zu einem endgültigen Entschluß kommen.

Zwar ist anzunehmen, daß auf dieser Ebene ein größeres Verständnis für (multi-)kulturelle Veranstaltungen vorhanden ist. Doch sollte aus Rücksicht auf die Eigenständigkeit der Bezirke auch hier eine Entscheidung getroffen werden, die Cultur Reflex einen Rückzieher machen läßt, könnte aus dem Mariannenplatz-Festival schnell ein Präzedenzfall werden. Schließlich gibt es schon seit längerem die Ambitionen — wie sie vor allem von Bezirksstadtrat Gerhard Engelmann (CDU) vertreten wird — Kreuzberg ab 20 Uhr prinzipiell lautstärkefrei zu halten. Was bei der durch die Mietpreissteigerung bedingten Verödung der Veranstaltungs- und Kneipenszene in diesem Stadtteil nur weiteren Kahlschlag bedeuten kann. Claudia Wahjudi