Junger Pole ist für die Polizei ein »No-Name«

Moabit.Auch zehn Tage nach dem brutalen Überfall auf den neunzehnjährigen Jacek A., dem Unbekannte mit der Gartenschere einen Teil seiner Zunge abgeschnitten hatten, ist die Kripo von einer Aufklärung der Tat noch weit enfernt. »Jacek weicht von seiner Version, von drei Skinheads überfallen worden zu sein, nicht ab«, sagte der zuständige Kriminaloberrat Axel gestern gegenüber der taz. Auf den Fotos von stadtbekannten rechten Schlägern, die die Polizei ihm vorlegte, hat Jacek die Täter nicht erkannt. Auch eine Phantombildzeichnung anfertigen zu lassen, sah er sich bei der Vernehmung außerstande.

Am vergangenen Freitag hatte sich Jaceks Gesundheitszustand soweit stabilisiert, daß die Polizei mit ihm den Tatort begehen konnte. In einem für Passanten nicht einsehbaren Winkel nahe der Straße Alt-Moabit im Kleinen Tiergarten wurde Jacek A. am vorvergangenen Freitag um 9 Uhr, so seine Aussage, von drei Skinheads angepöbelt und ins Gebüsch gezerrt. Dort hätten sie ihm erst eine Betäubungsspritze verpaßt und anschließend mit der Gartenschere die Zunge abgeschnitten. Zeugen für die Tat gibt es keine.

Auch wenn Zweifel an der Version des Polen bestehen, sucht die Polizei die Täter nach wie vor in der Skinhead-Szene. »Bisher ist es einzigartig, daß Skinheads mit derartigen Werkzeugen morgens um 9.00 Uhr Ausländer überfallen«, so Axel. »Aber es gibt weder eine gegenteilige Aussage noch eine gegenteilige Spurenlage.« In Polizeikreisen halten sich derweil Gerüchte über einen Zusammenhang mit polnischen Autoschieberbanden oder mafiosen Verbindungen. Doch auch hierfür gibt es kaum Anhaltspunkte: »Der Junge ist ein No-Name«, so Axel. Der Polizei sei er völlig unbekannt. »Wir haben keinen Anlaß, ihm nicht zu glauben, daß er als Tourist nur für einige Tage nach Berlin gereist ist.« Heute, an seinem zwanzigsten Geburtstag, wird Jacek nach zehn Tagen aus dem Rudolf-Virchow Krankenhaus im Wedding entlassen. Ein Mitarbeiter des polnischen Konsulats wird ihn auf seiner Rückreise nach Polen begleiten. jgo