Fluch über die Wagenburg

Auch von der Umzingelung durch echte Indianer ließen sich die Washington Redskins nicht beirren und gewannen die 26. Superbowl im American Football sicher mit 37:24 gegen die Buffalo Bills  ■ Von Andreas Lampert

Glaubte man den Prognosen einiger Fachleute, sollte das 26ste Endspiel der amerikanischen Football-Liga im Metrodome von Minneapolis zur Wiedergeburt der American Football Conference (AFC) werden. Die gesamten 80er Jahre über mußten sich die AFC-Teams im Superbowl nichts als schmachvolle Niederlagen durch die Mannschaften der National Football Conference (NFC) gefallen lassen, was sie schnell zum Gespött einer auf Sieger- und Heldentypen ausgerichteten Nation machte. Denver und Minnesota würden immer „Loser“—Teams sein, während die Gewinner nur aus New York, Chicago und San Francisco kommen konnten.

Dieses Jahr sollte der Statistik ein Streich gespielt werden. Mit dem Quarterback Jim Kelly von den Buffalo Bills wurde ein Hoffnungsträger auserkoren, dem man zutraute, das angeknackste AFC-Ego aus dem schwarzen Tal des Jammers herauszulotsen.

Seit einigen Spielzeiten nämlich pochte Kelly kräftig an den Pforten des Football-Olymps, und der Zutritt konnte eigentlich nur noch eine Frage der Zeit sein. Das einzige, was ihm dazu fehlte, war der Ring am Finger, den es für den Gewinn des Superbowl gibt.

In Minneapolis hieß der Gegner aus der NFC Washington Redskins, was die Sportsfreunde zufriedenstellte, denn Buffalo und Washington waren im Verlauf der Saison zweifellos die beiden besten Mannschaften der Liga. Jedes Team zeichnete sich durch einen eigenen Stil aus: hier die „no huddle“-Offensive, das heißt schnell vortragenes Paßspiel, das der gegnerischen Verteidiung keine Zeit zum Formieren gewährt (Buffalo); dort der eher konservative Stil, der keinen Spielzug dem Zufall überläßt und über einen bis in den letzten Winkel durchdachten Schlachtplan durch Trainer Joe Gibbs verfügt (Washington). Alle Amerikaner waren glücklich ob dieser Konstellation; alle, bis auf die Indianer.

Bereits zur Baseball-Endspielserie hatten die Ureinwohner ihren Unmut über den Mißbrauch von indianischer Geschichte und Kultur im Zusammenhang mit Mannschaftsnamen und -wappen geäußert. Besonders die „Redskins“ waren ihnen ein Dorn im Auge. In einer friedlichen Aktion umzingelten sie in der Nacht des Superbowls den Metrodome wie eine Wagenburg und belegten die Hauptstädter mit einem Fluch, was im allgemeinen Brimborium der Veranstaltung (unter anderem schaltete man vom Stadion aus live in die durchs All schweifende Raumfähre, um sich dort außerirdische Prognosen zu holen) schnell an die Peripherie gedrängt wurde.

Die Verwünschung der Redskins schien zu Beginn des Spiels zu wirken. Im ersten Viertel wurde ihnen ein Touchdown aberkannt, und das anschließende Fieldgoal vermasselten sie, als seien fremde Kräfte im Spiel, auf unerklärliche Weise kläglich. Dennoch konnten die Bills nichts mit den sich ihnen bietenden Möglichkeiten anfangen. Zu nervös und zu ehrgeizig hyperventilierte Jim Kelly. Von Rhythmus keine Spur. Die Zeichen deuteten auf eine reine Verteidigungsschlacht hin: 0:0.

Doch langsam erwachte die Offensive der Redskins aus ihrem Trancezustand. Kellys Widerpart Mark Rypien, ein eher unscheinbar wirkender Angriffsführer setzte immer raffinierter seine Paßfänger ein. Plötzlich spielte Washington „no huddle“. Buffalos Verteidigungslinien stutzten und stürzten sich in verzweifeltem Furor auf Rypien, was tiefe Löcher im eigenen Territorium riß. Die Redskins punkteten. 3:0, 10:0, 17:0. Hatte Manitous Rache die Falschen getroffen?

Auf dem Weg in die Halbzeitpause redete Jim Kelly bereits hysterisch auf seine gehemmten Mannschaftskameraden ein: „Wir müssen, wir müssen das Spiel gewinnen!“ Vergebens. Sein erster Paß im dritten Viertel landete in den Händen des Gegners. 24:0. Washingtons Verteidiger schleuderten Buffalos Angreifer weiter nach Belieben durch die Luft. Auch der 24:10-Zwischenstand ließ kaum noch Hoffnung zu. Rypien marschierte in aufreizender Lässigkeit vorwärts, indes Kelly, desperat des Rings gedenkend, dazu überging, bereits 14 Minuten vor Schluß „Hail Mary“-Pässe zu werfen.

Es war wie immer: Der AFC- Champ Buffalo reihte sich in die Reihe der anderen Endspielverlierer ein: kein Glück beim Überqueren des letzten Flusses. Am Ende stand es 37:24 für Washington. Verdient gewannen die Redskins ihren dritten Superbowl innerhalb der letzten zehn Jahre.