KOMMENTARE
: „Mein Kampf“

■ Ein Stasi-Mann geht in die Offensive — der Ex-taz-Kollege Till Meyer bekennt sich

Spiegel-TV“ wollte uns am Sonntag abend zum ersten Mal einen ganz anderen Stasi-Mitarbeiter vorstellen, einen, der offensiv und freiwillig seine Mitarbeit für das DDR-Ministerium für Staatssicherheit zugibt: Herrn Till Meyer. Was dann kam, war tatsächlich ganz anders. Zum ersten Mal konnten wir einen Stasi-Spitzel erleben, der noch im Jahre 1992 rotzig und trotzig seine naive Revolutionsromantik selbstgerecht vor sich herträgt und die Mitarbeit für die Staatssicherheit zur politischen Heldentat verklärt. Und dann der atemberaubende Satz: „Ja, ich hab's gemacht, es war richtig, es war mein politischer Kampf!“ Kein Wort der Selbstkritik, kein Wort des Bedauerns, kein Zweifel, keine Unsicherheit. Beton im Kopf und ein von Realitäten gänzlich unbelastetes, durch nichts zu erschütterndes Weltbild.

Was wissen wir — heute — von der Staatssicherheit? Sie hat über die DDR ein enges Netz aus Mißtrauen, Angst, Opportunismus und Denunziation gelegt. Sie hat Oppositionelle bespitzelt, sie ans Messer und in den Knast geliefert. Sie hat die ganze DDR in jene graue Gruft verwandelt, in der das Leben erstarrte. Es war, wie Wolf Biermann schreibt, ein „Vernichtungskrieg des Regimes gegen einzelne Menschen“. Für diesen Verein hat Till Meyer, der frühere taz-Kollege, freiwillig gespitzelt, und er ist noch immer mächtig stolz darauf. Als es mit dem grauen Sozialismus zu Ende ging, hatte der Stasi-Spitzel aus der taz sein letztes Rendezvous mit seinem Führungsoffizier. Und was hat er zu ihm gesagt? Meyer hat ihn gefragt, ob die Stasi den drohenden Umsturz denn nicht irgendwie ein bißchen verhindern könne. Eine kleine Gewehrsalve auf die Leipziger Demonstranten? Oder ein paar Lektionen aus der alten chinesischen Schule? Aber die Stasi war dann doch zu schlapp, und so umarmte man sich brüderlich-revolutionär; und jeder ging seiner Wege.

Ungehindert von kritischen Zwischenfragen konnte Till Meyer seine Stasi-Story erzählen. „Spiegel-TV“ hatte dem eigenen Mitarbeiter (Meyer arbeitete als Rechercheur für das Fernsehmagazin, das verschwieg Herr Aust) eine Tribüne für sein politisches Bekenntnis geliefert bis zum infamen Schlußwort des Stasi-Mannes. Es sei widerlich, empörte sich Meyer, welche „denunziatorische Schleimspur“ sich jetzt im Gefolge der Stasi- Enttarnungen durch die Republik ziehe. Also nicht die Spitzel-Tätigkeit, sondern ihre mühselige Aufdeckung ist der Skandal. Das war dann der traurige Höhepunkt einer Selbstinszenierung von abgrundtiefer politischer Dummheit und Verbohrtheit. Manfred Kriener