RAF-Dementi und Fahndungspanne

Rote Armee Fraktion widerspricht Berichten über Homburger Helfershelfer/ Eine Woche nach dem Herrhausen-Anschlag wollte Kronzeuge Behörden informieren — er wurde aber nicht ernst genommen  ■ Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) — Folgt man der jüngsten Stellungnahme der Rote Armee Fraktion (RAF), dann handelt es sich bei dem in der letzten Woche präsentierten Fahndungserfolg der Sicherheitsbehörden im Zusammenhang mit der Ermordung von Alfred Herrhausen lediglich um eine „Lügenkonstruktion bundesdeutscher Geheimdienste“. In einem zweiseitigen, unter falscher Absenderangabe in Hannover aufgegebenen Schreiben behaupten die Autoren, sie hätten „nie Kontakt zu dem VS-Spitzel Nonne“ gehabt (siehe Dokumentation auf Seite 5). Die Bundesanwaltschaft hatte am vergangenen Dienstag von der Existenz eines 35jährigen Kronzeugen berichtet, der sich im letzten Sommer dem hessischen Verfassungsschutz gestellt und offenbart hat. In Kenntnis des geplanten Anschlages auf Alfred Herrhausen am 30. November in Bad Homburg habe dieser den Attentätern seine in Bad Homburg gelegene Wohnung zur Verfügung gestellt und „weitere Unterstützung zur Durchführung des Anschlages geleistet“. Nur wenige Tage später mußte die Karlsruher Behörde aber einräumen, daß ihr Kronzeuge von 1982 bis 1986 als Informant des hessischen Verfassungsschutzes gearbeitet hatte und wegen seines psychisch labilen Zustandes „abgeschaltet“ worden war.

In dem RAF-Schreiben vom 24.Januar — mit rotem Stempelaufdruck (fünfzackiger Stern mit Maschinenpistole) gezeichnet — heißt es weiter, die Sicherheitsbehörden verfolgten mit ihrer Erfolgsmeldung das Ziel, „Widerstandsgruppen“ zu verunsichern, die Verhaftung von „legalen Genossen aus dem Widerstand“ vorzubereiten und „uns als Deppen“ hinzustellen. Die Bundesanwaltschaft hielt den Brief gestern „nach Form und Diktion für authentisch — vorbehaltlich der kriminaltechnischen Untersuchnung —, aber inhaltlich für falsch“.

Unterdessen zeichnet sich ab, daß es bei der Fahndung nach den Attentätern Herrhausens eine gravierende Fahndungspanne gegeben hat. Der Ex-Mann des Verfassungsschutzes hat bereits eine Woche nach dem Anschlag telefonisch um ein Treffen mit dem Landesamt gebeten — allerdings ohne Erfolg. Das Treffen kam nicht zustande, „weil sich bei einer im Anschluß an das Telefongespräch zur Abklärung der aktuellen Lebensumstände durchgeführten Observation das Bild bestätigte, das schon im Jahr 1986 zum Abbruch der Zusammenarbeit geführt hatte“. Dies teilte gestern der Direktor des hessischen Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, mit. Dieser Umstand sei erst am 24. Januar bei der Durchsicht „umfangreichen Aktenmaterials“ festgestellt worden. Zwischen 1986 und 1989, ergänzte Fromm, seien auch „keinerlei Erkenntnisse angefallen“, daß der frühere Informant in Verbindung zu „irgendwelchen verfassungsschutzrelevanten Gruppen oder Personen“ stehen könnte. Mögliche Hinweise auf den Herrhausen- Anschlag habe es erst im Juli 1991 gegeben, als sich der Informant erneut an das Landesamt wendete.

Der 'Stern‘ berichtete gestern, daß der 35jährige Siegfried Nonne bei seinem ersten Kontaktversuch um Hilfe gebeten habe, weil seine Mutter krank und er arbeitslos gewesen sei. In dem Telefonat hätte er „dem Beamten gleichzeitig eine Sensation“ angeboten. Der Verfassungsschützer habe sich aber „aus dem wirren Zeug“ des Anrufers keinen Reim machen können; er habe Nonne einen Arzt empfohlen.