Deutsche Unterstützung für Irans neue Ordnung am Golf

■ Seit dem Ende des Golfkriegs geben sich deutsche Politiker, selbsternannte Kulturaustauscher und Wirtschaftsvertreter in Teheran die Klinke in die Hand

Zum Himmel auf Erden fehlten nur noch Bier und Schweinebraten. Beim „Deutschen Tag“ der 17. Internationalen Messe in Teheran am 3.Oktober vergangenen Jahres zeigten sich Deutschlands Wirtschaftsvertreter zufrieden. Mit rund 300 Ausstellern war die Bundesrepublik in Teheran am stärksten vertreten. Allen voran freute sich der extra eingeflogene Bundeslandwirtschaftsminister Ignaz Kiechle. Immerhin hatte die deutsche Wirtschaft von Januar bis Juni 1991 Waren im Wert von knapp 3,6 Milliarden DM in den Iran verkauft — 77 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum des Vorjahres. Im Nahen und Mittleren Osten ist der Iran Deutschlands Handelspartner Nummer eins, stellte Kiechle darauf korrekt fest.

Bei solch positiven Bilanzen vergaß der Bayer denn auch seine letzten Vorbehalte gegenüber den Teheraner Geschäftspartnern, die ihn noch im Frühjahr 1989, kurz vor einem geplanten Besuch, wieder ausgeladen hatten. Grund war damals der von der Bundesregierung EG-konform geäußerte Protest gegen den Aufruf zur Ermordung Salman Rushdies, den die iranische Führung ausgesprochen hatte. Um in Zukunft nicht noch einmal auf den gepackten Koffern sitzen zu bleiben, baute Deutschlands oberster Landwirt diesmal vor. Gegenüber dem iranischen Außenminister Ali Albar Welajati drückte er das Bedauern der Bundesregierung über den Ausschluß der iranischen Verleger von der Frankfurter Buchmesse im Herbst 1991 aus. Die Leitung der Messe hatte nach Protesten deutscher Literaten und Künstler die iranischen Verlage kurz vor dem Kiechle-Besuch wieder ausgeladen, weil die iranische Führung bislang keine Anstalten gemacht hatte, die gegen Rushdie verhängte Fatwa zurückzunehmen. Laut Radio Teheran versprach Kiechle, solche Zwischenfälle würden nicht mehr vorkommen— eine Zusage, die er voraussichtlich nicht einhalten kann; denn inzwischen beschloß der Aufsichtsrat des Börsenvereins der deutschen Buchhändler als Messeveranstalter, den Iran auch 1992 von der Frankfurter Messe auszuschließen.

Nachdem der Wiederaufbau Kuwaits fast zu einem US-amerikanischen Exklusivgeschäft geworden ist, sucht die Bundesrepublik, gefolgt von Japan, Frankreich und Italien, im Iran nach ihrem Stück vom Kuchen der Golfkriegssieger. Dabei geht es nicht nur um Geschäfte, sondern auch um politischen Einfluß auf die heranwachsende Regionalmacht Iran, durch den sich die Bundesrepublik international profilieren könnte; darüber hinaus um die Freilassung der beiden im Libanon festgehaltenen Deutschen Thomas Kemptner und Heinrich Strübig.

Schon kurz nach dem Ende des Golfkrieges startete Bonn eine diplomatische Großoffensive in Richtung Iran. Politiker, selbsternannte Kulturaustauscher und natürlich Geschäftsleute geben sich seitdem in Teheran die Klinke in die Hand. Wer derzeit in einem der internationalen Hotels übernachten möchte, sollte mindestens drei Wochen vorher buchen, so lautet die Empfehlung. Die Hotels seien mit Ausländern überfüllt, in den meisten Betten schliefen Deutsche. Schon am 7. Mai 1991 empfing Welajati seinen „lieben alten Freund“ Hans-Dietrich Genscher, der versprach, sich für eine „entscheidende Rolle“ Teherans in einer neuen Ordnung am Golf stark zu machen. Aufträge in „zweistelliger Milliardenhöhe“ zog Wirtschaftsminister Möllemann Ende Juni in Teheran an Land. Gemeinsam mit Vertretern der deutschen Wirtschaft nahm er dort an einem Treffen der deutsch-iranischen Wirtschaftskommission teil. Am Rande der Tagung wurde bekannt, daß die Bundesregierung die bisher auf 500 Millionen Dollar festgesetzte Höchstdeckungsgrenze von Hermes-Krediten für Ausfuhren nach Iran aufhebt.

Aufrüstung mit deutschem Know-how

Dem geschäftstüchtigen Möllemann folgten neben anderen auch Umweltminister Klaus Töpfer, Postminister Christian Schwarz-Schilling, der Vorsitzende des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten des Bundestages, Hans Sterken, sowie Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Hermann Schaufler. Letzteren, so wurde im 'Spiegel‘ kolportiert, hätten Klagen der Frau des deutschen Botschafters, sie könne nachts nicht schlafen, weil aus dem nahegelegenen Evin-Gefängnis die Schreie der Gefolterten schallten, nicht beeindruckt. Statt dessen habe er sich bei den baden-württembergischen Wirtschaftsvertretern in seiner Begleitung darüber beklagt, daß das Bonner Außenministerium „für die Wirtschaftspolitik überhaupt nichts“ mache: „Für jeden Asylanten haben sie zehn Leute; für das, was uns angeht, überhaupt keinen.“

Den Höhepunkt der deutsch-iranischen Freundschaft sollte 1991 eigentlich ein Besuch von Kanzler Kohl im Iran und ein Gegenbesuch Rafsandschanis in der Bundesrepublik bilden. Die Einladung Kohls und die Gegeneinladung aus Teheran waren schon ausgesprochen. Dennoch wurde das Projekt vorerst auf Eis gelegt. Iranische Oppositionsgruppen in Deutschland hatten schon mit dem Druck von Protestplakaten begonnen, und auch die UNO-Menschenrechtskommission kritisierte „eskalierende Menschenrechtsverletzungen im Iran“. Tatsächlich hatte sich die Zahl der von der Teheraner Führung angegebenen Hinrichtungen in der ersten Hälfte 1991 im Vergleich zum gleichen Zeitraum 1990 verdreifacht. Aber weder die brutale Unterdrückung Oppositioneller oder die Fatwa gegen Rushdie noch sich verdichtende Hinweise, Teheran versuche seine Position als Regionalmacht auch militärisch mit konventionellen und A-, B- und C-Waffen zu untermauern, hindern deutsche Geschäftemacher und ihre politischen Interessenvertreter an ihren Geschäften mit dem Iran.

In den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, in China, Nordkorea, Indien und Pakistan bemühte sich Teheran in den letzten Monaten um den Erwerb von bombentauglicher Nukleartechnologie. Am aussichtsreichsten sind die Bemühungen außer in der GUS in Pakistan. Iran, Pakistan und die Türkei sind über den Wirtschafts-, Geheimdienst- und Militär-Pakt ECO verbunden, einen Pakt, dem der Iran unter anderem beitrat, um über die anderen beiden Mitglieder an Waffen und Technologie zu gelangen, die er selbst nur unter Schwierigkeiten erwerben kann. Pakistan ist dank entscheidender Hilfe der bundesdeutschen Leybold-Heraeus de facto Nuklearmacht.

Inzwischen erwarben die Iraner die Pläne für die libysche Giftgasfabrik Pharma 150 in Rabta. Die Fabrik wurde maßgeblich von der Lahrer Imhausen-Chemie geplant und gebaut. Die Ingenieursplanung übernahm die damals bundeseigene Salzgitter AG. Nach jüngsten Veröffentlichungen haben die Iraner inzwischen mit dem Einkauf der Materialien für den iranischen Pharma-150- Nachbau begonnen. Vor der weiteren Hilfe deutscher Firmen für die Aufrüstung Irans, Syriens, Libyens und des Irak mit chemischen und biologischen Waffen und atomarer Raketentechnologie warnte das Bundeskanzleramt im November der Bundesnachrichtendienst (BND). Mehrere hundert deutsche Techniker und Ingenieure verdienen derzeit, wie es heißt, in ganz Iran am Wiederaufbau des Landes, das durch den achtjährigen Krieg mit dem Nachbarn Irak schwere Zerstörungen hinnehmen mußte. Neben dem Wiederaufbau von Industrie, Infrastruktur, Landwirtschaft und medizinischer Versorgung ist vor allem die Stärkung des iranischen Militärs erklärtes Ziel von Präsident Rafsandschani. Zu den unter Möllemanns Federführung abgeschlossenen Geschäften gehörten auch Vereinbarungen zwischen der Daimler-Tochterfirma Deutsche Aeorospace (DASA) und der zum iranischen Verteidigungsministerium gehörenden Iran Aircraft Industries über die Lieferung von vier Flugzeugen des Typs DO 228. 31 weitere Exemplare des von der Bundesmarine als Aufklärer getesteten Fliegers will Teheran vor Ort in Lizenz bauen.

Dafür, daß die deutsch-iranischen Geschäfte nach dem Sturz des Schahs weitergingen, sorgte nicht zuletzt Hans-Dietrich Genscher, der schon 1984, fünf Jahre nach der Machtübernahme Chomeinis, als erster hochrangiger Politiker aus dem Westen Teheran besuchte. Nach dem Sturz des Schahs habe sich „die Bundesregierung in ihren Beziehungen zum Iran nicht von der Haltung anderer Staaten leiten lassen“, kommentierte die 'Teheran Times‘ denn auch den letzten Genscher-Besuch im Mai 1991. Thomas Dreger