Vom Ende aller Kunst

■ »DEFA-Alptraum«: Eine Ausstellung des Ostberliner Filmhistorikers Peter Glass im Heimatmuseum Charlottenburg

Mein Gott, Walter! Einmal den eisernen Besen tanzen lassen — und die Firma hat den Rest ihrer Tage lauschiges Auskommen mit Leisetreterei. Das Märchen vom unterdrückten Widerstandsgeist zu Zeiten Ulbrichts blüht auch heute noch, zwei Jahre nach der Implosion der DDR, in einer vom Ostberliner Filmhistoriker Peter Glass zu verantwortenden Ausstellung auf, die im Heimatmuseum Charlottenburg Gastrecht genießt.

Unter dem nicht allein syntaktisch fragwürdigen Motto »Fabrik von sozialistischen Menschen« sind viereinhalb Jahrzehnte Babelsberger DEFA-Geschichte an wenig mehr als 45 Metern Pinnwand abzuschreiten. Neben vergilbten Programmzetteln und Postern aus neuer und alter Zeit sowie ein paar Fotos sind es vor allem markige Propagandasprüche, die ins Auge springen. Dagegen rangiert die unsäglich kleinkarierte Korrespondenz aus den (ver)traulichen Amtsstuben der Systemverwalter unter Kleingedrucktes. Der Leiter der Kulturabteilung der sowjetischen Militäradministration, Oberst Tulpanow, gab der DEFA zu ihrer Gründung im Mai 1946 »...völlige Erfüllung der ... gestellten ehrenvollen ideologischen und künstlerischen Aufgaben« mit auf den neuen Weg. An dessen Ende standen Ausbürgerung und/oder Ausschmückung gesellschaftspolitischer Höhepunkte wie »Wochen der Waffenbrüderschaft« und diverse Jubiläen von NVA, FDJ, SED (die bis zuletzt planmäßig »durchgeführt« wurden).

Den roten Faden rankt die Exposition um diese oder jene — von Recherchen unbelastete — Episode; immer ohne Farbe zu bekennen. Real verstrickt zwischen »ungeschminkter Realität« und »realistischem Denken«, sollen Filme entstanden sein, bei denen »die Bilder realistisch waren, ihr Inhalt sich aber davon entfernte«. Soweit des Autors wirklichkeitsferne Jungpionierweisheit, gespeist aus den fünfziger Jahren, als er mit der Schulklasse ins Kino marschierte — wo schon »ein ganzes Volk« gesessen habe —, um Thälmann nachzueifern.

Ein Lebenslauf im Passiv, der sich allzugern höchstpersönlich hinter dem unpersönlichen »man« verkriecht, wovon die Broschüre zur Ausstellung beredt Zeugnis gibt. Die rechthaberische Partei trägt nun a posteriori allein die Schuld. In einem offenen Brief in der SED-eigenen Postille 'ND‘ bietet Partei- und Staatschef Ulbricht dem »härteste(n) Kurs gegen unsere Partei, gegen die DDR« das Kontra. Das war im Januar 1966. Da war das 11. Plenum des ZK schon vorüber und beschlossene Sache, Steine des Anstosses wie Frank Beyers Spur der Steine nebst weiteren Filmen des kritischen Jahrgangs 65 aus dem Weg zu räumen. Die Alten zu diesem beispiellos gebliebenen Fall — um den die »Musterschau« dämonisierend kreist — streifen freilich bloß die Oberfläche der konzertierten Aktion.

Ein Herr Singer zeichnet eine Anweisung an Redaktionen, »vorläufig nichts über die neu entstehenden DEFA-Filme zu veröffentlichen«, die für Autoritäten wie den Volkskammerpräsidenten Sindermann schlicht »das Ende aller Kunst« sind. Einen G. Witt, seines Zeichens Leiter der HV-Film beim Minister für Kultur, veranlaßt die Einschätzung der politisch-ideologischen Situation, im DEFA-Studio »die Parteilinie wiederherstellen« zu lassen. »Mit sozial. Gruß« ging alles seinen sozialistischen Gang. So einfach war das?

Ein »DEFA-Abspann« — so der anspruchsvolle Untertitel der wenig ansprechenden Ausstellung — dessen Credits (fast) nichts zur vertrackten Geschichte des DEFA-Films beitragen. »Dürftig, dürftig!« schrieb ein Besucher den Ausstellungsmachern ins Stammbuch. Roland Rust

Die DEFA: Fabrik vom sozialistischen Menschen. Einblicke in 45 Jahre Filmgeschichte. Gastausstellung im Heimatmuseum Charlottenburg noch bis zum 16.2.