: „War's schön?“
■ „Sie und Er“, Teil 1, ARD, 20.55 Uhr
Sie sind seit über 20 Jahren verheiratet, haben beide Erfolg im Beruf, tragen in ihrer Freizeit gern Grobgestricktes, nennen einander zärtlich „Charly“ und „Schorschi“ und fragen nach dem Verkehr noch immer: „War's schön für Dich?“ Und als nun die erwachsenen Kinder sich endlich anschicken, das behagliche Heim zu verlassen, beginnen Charlotte und Georg eifrig Pläne für ihre wiedererlangte Zweisamkeit zu schmieden.
Doch da bricht jäh jenes Schicksal über sie herein, das seit Ingmar Bergmans Seelendrama Szenen einer Ehe zum festen Problem-Repertoire des deutschen Fernsehspiels gehört. „Charly“ und „Schorschi“ werden von der Midlife-Crisis ereilt. Wo pure Lebensfreude geplant war, macht sich plötzlich Öde breit. Er bändelt schließlich mit einer „kessen“ Journalistin an, während sie mit einer Freundin verzweifelt das „wilde Leben“ probt.
Wenn sich so honorige Fernsehleute wie Frank Beyer (Regie) und Klaus Poche (Buch) mit einem Zweiteiler in die Niederungen der Beziehungsfrage begeben, darf man gewiß mehr erwarten als sentimentalen Selbsterfahrungsquark oder jenen problemorientierten Seelenkitsch, der einem in der ersten Reihe sonst so serviert wird. Und von einigen Ausrutschern einmal abgesehen, kommen die beiden auch ohne die üblichen Psychoplattitüden aus. Nur was sie sich statt dessen haben einfallen lassen, ist dennoch ein bißchen wenig, um über drei Stunden die Fernbedienung in Ruhe zu lassen. Wo Bergman weiland die eheliche Bettstatt zum Vorhof der Hölle stilisierte, versuchen Poche und Beyer, der Krise auch ihre witzigen Seiten abzugewinnen.
Aber wie es den komisch gemeinten Szenen an stimmigen Dialogen und Timing gebricht, fehlt den dramatischen die Konsequenz. Die Schlacht um Liebe und silberne Löffel wird derart behutsam geschlagen, daß man schon erschreckt im Sessel auffährt, wenn „Schorschi“ endlich mal ein „Leckt mich doch alle am Arsch!“ erklingen läßt. Und wo es zugehen soll wie im richtigen Leben, bleibt der Alltag jenseits der Ehekrise konsequent vor der Tür. Nicht ein Satz, kein Bild, das nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der leidigen „Beziehungsfrage“ steht. Das hält eine Ehe nicht aus, ein Fernsehspiel schon gar nicht. Dabei müht sich Reimar J. Baur nach Kräften, dem „Schorschi“ hintergründigen Witz zu verleihen, und auch den anderen Darstellern ist das freudlose Treiben vor der Kamera kaum anzulasten. Rätselhaft nur, warum Senta Berger als „Charly“ ständig so angestrengt ratlos ins leere Weite blickt. Was sie da unlängst exklusiv in 'Hör Zu‘ aus dem Schatzkästlein ihres eigenen Eheglücks zum besten gab, klang doch eigentlich recht überzeugend... Reinhard Lüke
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen