INTERVIEW
: Keine „Gleichmacherei statt Gleichberechtigung“

■ Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer fordert besonderen Arbeitsschutz für Frauen

Frau Engelen-Kefer, wie bewerten Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts?

Engelen-Kefer:Wir bedauern, daß das bestehende Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen als für nicht vereinbar mit dem Gleichberechtigungsgrundsatz erklärt wurde, denn wir meinen, daß hier Gleichberechtigung gleichgesetzt wird mit Gleichmacherei. Da immer noch sehr unterschiedliche Lebensbedingungen bestehen: Doppel- und Dreifachbelastung von Frauen in der Familientätigkeit, bei der Kindererziehung, meinen wir, daß es durchaus mit dem Gleichheitsgrundsatz vereinbart werden kann, wenn ein besonderer Arbeitsschutz für Frauen besteht.

Allerdings, und das entspricht auch unseren Vorstellungen, hat das Bundesverfassungsgericht den Auftrag zu einer erweiterten Gesetzgebung erteilt. Es hat ja nicht gesagt, das bestehende Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen sei nichtig, sondern es hat gesagt, es ist nötig, wegen des Gleichberechtigungsgrundsatzes auch weibliche Angestellte und Beamtinnen miteinzubeziehen und auch zu berücksichtigen, daß Nachtarbeit für alle schädlich ist, auch für Männer.

Hat das Urteil für Frauen nicht auch Vorteile?

Welche Vorteile hat es für Frauen, wenn sie nachts arbeiten dürfen? Ich glaube, daß da zum Teil falsche Vorstellungen bestehen. Vielfach ist Nachtarbeit sehr gering qualifizierte Tätigkeit und die bestehende Benachteiligung von Frauen wird sich auch nicht durch die Abschaffung des Nachtarbeitsverbotes aufheben lassen. Für mich ist die Begründung nie besonders tragfähig gewesen, daß Frauen von bestimmten qualifizierten Berufen ausgeschlossen seien, weil sie eben nicht nachts arbeiten können. Das mag in Ausnahmefällen zutreffen. Das würden wir in jedem Fall respektieren.

Deshalb haben wir ja auch vorgeschlagen, daß bei einer umfassenden Gesetzgebung zur Eindämmung der Nachtarbeit Ausnahmen zugelassen werden sollen. Aber eine generelle Öffnung des Nachtarbeitsverbotes, also ein genereller Zwang für Frauen auch nachts arbeiten zu müssen, trägt nicht dazu bei, Frauen in qualifiziertere Arbeitsplätze zu bringen oder überhaupt in Arbeitsplätze zu bringen.

Wer müßte von der Nachtarbeit freigestellt werden?

Ganz dringend gilt das für alle Frauen und alle Männer, die Verantwortung für die Beaufsichtigung von Kindern haben. In der Begründung des Bundesverfassungsgerichtes heißt es, daß die gesundheitliche Belastung für Eltern mit kleinen, aufsichtsbedürftigen Kindern ganz besonders groß ist, daß dies in unserer Lebensrealität vor allem Frauen trifft, aber auch für Männer gilt, wenn sie alleinerziehend sind.

Und daß zweitens ein besonderer sozialer Schutz gelten muß für diejenigen, die bereits gesundheitlich vorbelastet sind und für die Nachtarbeit eine zusätzliche gesundheitliche Gefährdung bedeuten würde. Es wird unser Bestreben sein, daß diese Personengruppen nicht veranlaßt werden können, Nachtarbeit leisten zu müssen.

Zum anderen hat das Bundesverfassungsgericht auch dargestellt, daß diejenigen, die Nachtarbeiten müssen, eines umfassenden Arbeitsschutzes bedürfen und auch hier werden wir darauf dringen und Vorschläge unterbreiten, wie eine derartige umfassende Schutzgesetzgebung aussehen könnte. Interview: Dorothee Winden