PORTRAIT
: Bernhard Vogel — ein Mann mit „Narben“

Aufstieg, Fall und Wiederaufstieg eines gestandenen Christdemokraten/ Ein „abgestandener“ Ministerpräsident?  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Frankfurt/Main (taz) — Der passionierte Skatspieler Bernhard Vogel machte im November 1988 in Koblenz keinen Stich mehr: Exakt 189 von 450 Delegierten des Landesparteitags der rheinland-pfälzischen Union wählten damals am „Deutschen Eck“ den amtierenden Umweltminister des Landes, Hans-Otto „Brutus“ Wilhelm, an die Spitze der Partei — und schickten ihren Ministerpräsidenten Vogel in die politische Wüste. Der hatte im Vorfeld der Entscheidung in völliger Verkennung der veränderten Machtverhältnisse bei den Christdemokraten im Land der Rüben und Reben sein Verbleiben auf dem Ministerpräsidentensessel von seiner Wiederwahl zum Parteichef abhängig gemacht. Während die Delegierten den Usurpator Wilhelm mit stehenden Ovationen feierten, stürmte ein gedemütigter Bernhard Vogel mit hochrotem Kopf und dem Ausspruch aus dem Saal: „Gott schütze Rheinland-Pfalz!“

Daß die rheinland-pfälzische CDU unter Ministerpräsident Wilhelm bei den Landtagswahlen im vergangenen Jahr die schwerste Niederlage ihrer Geschichte hinnehmen und die Macht an SPD und FDP abtreten mußte, dürfte für den 59jährigen kleinen Bruder von Hans-Jochen Vogel (SPD) schon Balsam auf die „Narben, die nie ganz verschwinden“ (Vogel), gewesen sein. Daß ihn die thüringische CDU — nur zwei Tage nach der Abwahl seines Kontrahenten Wilhelm aus dem Amt des Parteivorsitzenden auf dem Landesparteitag der rheinland-pfälzischen Union am Wochenende in Andernach — zum Nachfolger von „Stasi- Clown“ Josef Duchac nominierte, ließ den amtierenden Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung am Dienstag abend triumphieren: „Phönix“ aus der Asche.

Zwölf Jahre lang hatte der in München geborene und in Speyer lebende Junggeselle Bernhard Vogel als Ministerpräsident in Mainz regiert. In Erfurt wird der Politikwissenschaftler und Historiker Vogel auf Schritt und Tritt mit Mainzer Geschichte konfrontiert werden, denn die thüringische Landeshauptstadt befand sich jahrhundertelang im Besitz der Mainzer Erzbischöfe. Das wird dem Träger des vatikanischen Großkreuzes des Georgius-Ordens den Wechsel in das „grüne Herz Deutschlands“ erleichtern.

Doch nicht nur beim Erfurter Koalitionspartner FDP, auch im Lager der in einen „Blockflötenflügel“ und in einen Reformflügel gespaltenen thüringischen CDU ist der Westimport Vogel umstritten: Noch am Dienstag erklärte der Abgeordnete Althaus, daß er den „abgestandenen rheinland- pfälzischen Ministerpräsidenten“ auf keinen Fall wählen werde.

Bernhard Vogel startete seine landespolitische Karriere unter dem Protektorat Helmut Kohls im Jahre 1967. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Altmeier holte den Professorensohn damals auf Druck von Kohl als Kultusminister in sein Kabinett. Mit nur 41 Jahren wurde Vogel — in einer Kampfabstimmung gegen Heiner Geißler — Landesvorsitzender der Union. Und zwei Jahre später saß er als Nachfolger des nach Altmeier zum Regierungschef avancierten Kohl auf dem Ministerpräsidentensessel. Der pfälzische Riese ging damals als Oppositionsführer nach Bonn.

In seinen besten Jahren fuhr Vogel für die rheinland-pfälzische CDU wiederholt absolute Mehrheiten ein — doch bei den Landtagswahlen 1987 brauchte er die FDP zur Regierungsbildung. Danach begann in der Union die Demontage des nun als „abgehoben und arrogant“ apostrophierten Ministerpräsidenten und Landesvorsitzenden. Der von Vogel selbst als Nachfolger für Klaus Töpfer an den Kabinettstisch geholte Wilhem schwang sich zum Wortführer der unzufriedenen Basis auf. Es kam zur Koblenzer Palastrevolution — und Vogel verschwand zunächst in der Versenkung.

Aus der tauchte er am Dienstag putzmunter wieder auf: Totgesagte leben länger. Man habe ihn in die Pflicht genommen — und er habe sich in die Pflicht nehmen lassen. Bleibt noch zu klären, wer Vogels Nachfolger an der Spitze der parteieigenen Stiftung wird, falls der Hobby-Bergsteiger tatsächlich Ministerpräsident des Landes Thüringen wird. Wie wäre es mit Josef Duchac, dem „braven Mann aus Gotha“?