Erfurt baut Vogel ein neues Nest

■ Mit Bernhard Vogel wird Thüringen als drittes der fünf neuen Bundesländer einen „Westimport“ an der Spitze haben/ CDU-Landeschef Böck kündigt neue Koalitionsvereinbarungen mit der FDP an

Erfurt (ap/dpa/taz) — Das Regierungsbündnis aus CDU und FDP in Thüringen soll mit dem rheinland- pfälzischen CDU-Politiker Bernhard Vogel als Ministerpräsident fortgesetzt werden. Darauf einigten sich die Spitzen der beiden Parteien und Fraktionen am Dienstag in Erfurt. Die endgültige Entscheidung der FDP-Fraktion, Vogel als Landeschef mitzutragen, stand gestern nachmittag (nach Redaktionsschluß) an. Fraktionschef Andreas Kniepert signalisierte aber bereits vor der entscheidenden Sitzung Zustimmung zur Wahl Vogels. Die CDU wollte dessen Kandidatur noch am Dienstag in den Ältestenrat einbringen, so daß der frühere rheinland-pfälzische Ministerpräsident am 5. Februar zum Nachfolger des zurückgetretenen Thüringer Regierungschefs Josef Duchac gewählt werden könnte.

Damit würde in den fünf neuen Bundesländern der dritte „Westimport“ das Ministerpräsidentenamt übernehmen. Vogel selbst hat wenig vielversprechend seine Kandidatur als Pflichtübung bezeichnet. Trotz des eindeutigen Votums für den altgedienten CDU-Politiker stieß dessen Nominierung offensichtlich auch in den Reihen der Thüringer Christdemokraten nicht nur auf uneingeschränkte Zustimmung. „Wir brauchen keinen abgestandenen Ministerpräsidenten“, stichelte ein als Reformer bekannter Unions-Parlamentarier in Erfurt.

Zukunftsweisend hat der Thüringer Innenminister und CDU-Landesvorsitzende Willibald Böck gestern die Wahl Vogels als „wichtigste Bewährungsprobe“ für die Erfurter CDU/FDP-Koalition bezeichnet. Gleichzeitig kündigte er eine Überarbeitung der bestehenden Koalitionsvereinbarungen an. Möglicherweise wird es eine Erweiterung des Kabinetts geben, wobei gestern offen blieb, ob die FDP einen zusätzlichen Ministerposten erhalten wird.

Die SPD-Landtagsfraktion hat gestern mittag wie angekündigt ihr Mißtrauensvotum gegen die Regierung Duchac beim Landtagspräsidenten eingereicht. Sie bestand nach wie vor auf Neuwahlen und will heute möglicherweise einen eigenen Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten benennen. Ob der Antrag in einer Sondersitzung oder bei der nächsten regulären Landtagssitzung am 5. Februar auf die Tagesordnung kommt, muß der Ältestenrat entscheiden. Vermutlich in diesem Zusammenhang haben sich gestern mittag überraschend auf CDU- Initiative hin der SPD-Fraktionschef Gerd Schuchardt und Willibald Böck zu einem Gespräch getroffen.

In Bonn nannte die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel die Nominierung Vogels eine „gute Entscheidung“, während der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse meinte, die CDU sei unfähig, sich zwischen altgedienten Mitgliedern und neuen Kräften in der Partei zu entscheiden.